: Triff mich am Zabriskie Point
Tank leer, Handy kaputt, und das Herz sehnt sich nach wildem Leben: Milan Peschel inszeniert Albert Ostermaiers Stück „Death Valley Junction“ in den Volksbühnenstudios
Schauplatz Volksbühnenstudios. Populäre Filmstoffe sollen hier diese Spielzeit dem Theater begegnen. „Death Valley Junction“ steht diesmal filmplakathaft am Prater in der Kastanienallee. Dem routinierten Cineasten fällt natürlich gleich Michelangelo Antonionis Film, „Zabriskie Point“ von 1970 ein, wo das „Death Valley“ eine wichtige Location war. „Death Valley Junction“ nun ist aber gar kein Filmstoff, sondern ein Theaterstück von Albert Ostermaier. Womit wir beim ersten Irrtum dieses Abends wären.
Aber fangen wir von vorne an. Ein Paar strandet mit dem Auto in der Wüste. Tank leer, Handy kaputt, Beziehung angeschlagen und zu allem Überfluss liegt noch eine Leiche im Kofferraum. So beginnt ja oft, was später schrecklich endet. Da ist der Zuschauer vom Kino entsprechend konditioniert. Natürlich wird Blut fließen. Fragt sich bloß, wieviel. Die Bühne – Bert Neumanns Marlboro-Country – ist seit „Stalker“ vor vier Wochen um exakt das Doppelte gewachsen. Immer noch führen Schienen für einen Kamerawagen an ihrer ganzen Breite entlang. Immer noch gibt es an den Stirnseiten des Saals großformatige Leinwände für Filmprojektionen.
Jetzt stehen Desmond (Axel Wandtke) und Valery (Astrid Meyerfeldt) also am Wüstenrand. Der Tote im Kofferraum trägt Desmonds Kleider und einen handgeschriebenen Geburtstagsglückwunsch für ihn auf dem Bauch. Von irgendwo kommt ein Trupp launig-proletarischer Gratulanten, weshalb man nicht weiß, ob die ganze Geschichte am Ende nicht eine skurrile Partyüberraschung von Valery ist und keine existenzialistischer Showdown.
Später sitzen alle auf einer scheußlichen Polstergarnitur der Wüstenkulisse gegenüber und öden sich an. Ab und zu ein hysterischer Ausbruch. Hin und wieder eine kleine Brutalität. Aber so recht weiß selbst der wohlwollendste Zuschauer nicht, wie er die berühmte Frage: „Was will uns der Dichter damit sagen?“ beantworten soll.
Dabei sagt der Dichter alles, was zu sagen wäre: erstens im Stück selbst, aber das ist irgendwie undurchsichtig zusammengestrichen und verflacht. Und zweitens sogar im Programmheft: Da ist von einer Sehnsucht nach Wildheit die Rede, die sich im realen Leben nie einlösen lässt. Und nun hätte man gerne gesehen, was diese Sehnsucht mit den Menschen macht. Aber man sieht es nicht.
Wahrscheinlich sind auch der Volksbühne Zweifel an der Qualität dieser Arbeit gekommen. Ursprünglich sollte Katka Schroth inszenieren. Jetzt steht Milan Peschel als Regisseur im Programm, der eigentlich mal der Darsteller des Desmond war. Leider hat das den Abend auch nicht gerettet, der insgesamt dem Irrtum verfällt, dass es ausreicht, Filmpathos zu karikieren und sich über das Klischeehafte seiner Plots und Figuren lustig zu machen.
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Erst spricht Astrid Meyerfeldt den Text seltsam somnambul und wie nach dem zehntenWhiskey, später dröhnt das Lied im Original. Wahrscheinlich ist so mancher Kostgänger von Kultur und Feuilleton an diesem Abend zum ersten mal inhaltlich mit einem Liedtext der Gruppe konfrontiert worden, die ja der Inbegriff für rechtsradikale Kultur geworden ist, und hat sich gewundert, dass der Text eine seltsame Schönheit hat. Dieser Schönheit und ihrer brutalen Kehrseite hätte der Abend zum Beispiel mal nachgehen können, statt das Skandalon „Böhse Onkelz“ bloß als Signalreiz auszuschlachten.
ESTHER SLEVOGT
Nächste Vorstellungen am 22., 23., 24., und 30. Oktober. Jeweils um 20 Uhr im Prater, Kastanienallee 7–9
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