piwik no script img

Cottbusser Spielregeln

Die Bayern geschlagen, gegen Hertha verloren: Anders als auf dem Spielfeld ist Energie Cottbus beim medialen Drumherum längst in der Bundesliga angekommen. Selbst zu Daum gibt’s viel Blablabla

von MARKUS VÖLKER

Schön, dass Cottbus lernwillig ist. Schön auch, dass bei Dieter Krein so etwas wie Einsicht reift. Der Präsident des Fußballklubs Energie Cottbus ist die Zitatmaschine der Liga. Mal abgesehen von Franz Beckenbauer.

Wenn Krein höllisch heiß läuft, das Räderwerk kräftig knärzt und der Auspuff rußig raucht, dann sollten Imageberater eigentlich nur hoffen, dass kein Reporter in der Nähe ist, der Kreins gewaltige Wortproduktionen unters Volk bringt. Jeder Verein, der auf seine Professionalität hält, müsste diesen Mann aus dem Verkehr ziehen oder ihn mit einer Kaskade von Seminaren überziehen, die aus dem Schwätzer einen begnadeten Rhetoriker macht.

Aber wir haben es ja mit Cottbus zu tun, und Cottbus ist was Besonderes. Cottbus ist Osten, da gelten sowieso andere Regeln. Da werden Menschen wie Götter verehrt, die goldene Hennen gewinnen und den Leuten der Lausitzer Region nach dem Maul reden. Was bei Brecht im Gegensatz zum blasierten Kunstbetrieb erquicklich gewesen sein mag, ist in Cottbus nur das von Fußballbetrieblern kolportierte Ressentiment des ostigen Biedermannes.

Cottbus ist im großen Geschäft des Fußballs angekommen, und Zeichen von Vernunftbegabung ziehen sachte auf. Als Krein anlässlich des Spiels Hertha gegen Cottbus im Berliner Olympiastadion zum Fall des Christoph Daum befragt wurde, blaffte Krein unerwartet selbstreflexiv zurück. „Aja, ich weiß schon, was ihr wieder von mir hören wollt.“

Und was dann kam, klang schon eher wie eine Verkündigung aus dem Bundeskanzleramt als die Stammtischrede aus einer Kaschemme im Spreewald. Von „Überraschung“ und „Mitleid“ war die Rede. Dann aber doch: „Ich hätte mir die Hand abhacken lassen dafür, dass der Daum clean ist.“

Wer sich einem anderen Vertreter Cottbusser Denkungsart zuwandte, der durfte Humoriges erfahren. Klaus Stabach, Manager des Vereins, erklärte sich zum Experten in Sachen Kokserei: „Das ist so überraschend, dass ich es gar nicht glauben kann“. Und weiter: „Christoph Daum ist vielleicht ein Mensch, der das Zeug unterbewusst mal als Student genommen hat.“ Zur Lösung der Causa hätte seiner Ansicht nach vor der Haaranalyse nur eines beigetragen: „Glatze schneiden“.

Holterdipolter, da sprang der Motor wieder an, was man von der Mannschaft der Energetiker nicht behaupten konnte. Die düsten nur zu Beginn der Partie über den Rasen des Olympiastadions, den die taz (wir berichteten in der Solitaz am vergangenen Samstag) vor Tagesfrist in einem mühsamen Arbeitseinsatz pedikürt hatte. Antun Labak nutzte die geglätteten Unebenheiten zwar zum 1:0 aus, und die 10.000 Fans aus der Lausitz machten ein Riesenspektakel, im Zuge dessen sie auch einen Plastikstuhl in Brand setzten, aber schon nach 20 Minuten wurde Trainer Eduard Geyer wohl klar, dass sein Team nicht an die Leistung gegen den FC Bayern München anknüpfen können würde. Da fehlte „diese Unbekümmertheit“, sagte Geyer. Cottbus unterlag den Herthanern mit 3:1.

Woran lag’s? „Es war einfach keine 100-prozentige Leistung. Nach ein paar Kontakten war der Ball wieder weg.“ So viel könne man gar nicht tranieren, als dass diese Fehler ausgemerzt würden, ärgerte sich Geyer, und wer ihm dabei in die Augen blickte, wusste: Er wird so viel tranieren lassen, schließlich soll Cottbus, von dem, wie Stabach sagte, nun endlich jeder in Deutschland wisse, wo es liegt, in der Ersten Liga bleiben. Oder?

Stabach tat kund, er wolle Profifußball auf Dauer in Cottbus etablieren, wozu er auch die 2. Liga zähle. Das hörte sich ein bisschen wie eine Bankrotterklärung an und wie eine vorschnelle Absolution für den möglichen Abstieg. Jedenfalls stand auch Stabach noch unter dem Eindruck der Niederlage. Geyer analysierte für ihn, die Mannschaft habe sich „schlecht orientiert“, sah oft „nicht ganz gut aus“ und sei „überlaufen worden“.

spielbericht SEITE 16

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen