: Gewichtheber im Zwielicht
Bei den Paralympics in Australien wird der Behindertensport von der Normalität eingeholt: Es gibt so viele Dopingvergehen wie nie zuvor. Trotzdem strömen die Zuschauer massenhaft in die Stadien
SYDNEY dpa ■ Der Negativrekord von sechs positiven Fällen bei den Paralympics in Sydney zwingt den Behindertensport zu einem harten Kurs gegen Dopingsünder. Nur einen Tag nach der Dopingsperre für vier Gewichtheber sind gestern mit Hamed Abdul Al-Jandal (Saudi-Arabien) und Anton Puskow (Bulgarien) zwei weitere Heber wegen ähnlicher Vergehen für vier Jahre aus den Hallen verbannt worden. Damit steht die Sportart im Zwielicht. „Ich werde mich mit dem Gewichtheber-Präsidenten treffen, um zu sehen, was er vorschlägt, um solchen Fällen vorzubeugen“, erklärte Robert Steadward, Präsident des Internationalen Paralympics Komitee (IPC), und drohte: „Wir können auch Mitglieder ausschließen. Diese Macht haben wir.“
Schon bei Olympia hatte sich Gewichtheben mit insgesamt elf Dopingfällen diskreditiert. Bei den Paralympics gehören alle Ertappten dieser Sportart an. Der bereits abgereiste Iraner Ali Mahmoudikordkheili und der Rumäne Aurel Berbec wurden der Einnahme des anabolen Steroids Methandienon sowie Stanozolol und Nandrolon überführt. In den Proben der Russin Marina Diakonowa und des Bulgaren Radko Radew fand man mit Hydrochlorothiazid und Chlorthalidon jeweils Diuretika, die zum Entwässern des Körpers benutzt werden und andere verbotene Substanzen verschleiern sollen. Das Steroid Nandrolon wurde bei Al-Jandal und Puskow gefunden.
Die Entlarvung des Sünder-Sextetts ist das vorläufige Ergebnis der erstmals vor den Paralympics durchgeführten 129 Trainingskontrollen. Die bislang meisten Fälle gab es 1992 in Barcelona, wo fünf Sportler (drei mit Steroiden und je einer mit Diuretika und Schmerzmitteln) bei Wettkampfkontrollen erwischt wurden. „Ich bin erstaunt“, meinte Michael Riding, Vorsitzender der Medizinischen Kommission des IPC, „sechs Dopingfälle aus 129 Kontrollen ist sehr hoch.“ In Atlanta waren alle kontrollierten Sportler sauber. „Es zeigt, dass unsere Kontrollen funktionieren“, befand Steadward und verteidigte die Vierjahressperren: „Wir müssen streng sein gegen Doping im Sport und den Sportlern ein klares Signal geben.“ Bis zum Ende der Spiele am 29. Oktober sollen inklusive der Trainingskontrollen rund 700 Tests durchgeführt werden. „Wir versuchen, 15 Prozent der Sportler zu testen. Das ist die gleiche Rate wie bei Olympia“, erklärte Riding. Er befürchtet, dass in den verbleibenden sieben Wettkampftagen weitere Fälle ans Tageslicht kommen. „Das ist Sport. Und im Sport gibt es immer welche, die betrügen.“
Das größte Problem für das IPC bei der Jagd auf die Betrüger ist fehlendes Geld. Während bei den Paralympics das Organisationskomitee (SPOC) 625 Mark pro Analyse zahlt, ist dem Verband mit seinem Etat von rund zwei Millionen Mark pro Jahr ein solches Vorgehen unmöglich. „Das ist ein teures Geschäft“, meinte Riding.
Abgesehen von den Dopingfällen gibt es in anderen Bereichen Grund zur Freude für die Gastgeber: Die australischen Athleten führen in der Nationenwertung, und die Zuschauer sind allemal Weltklasse. Am Wochenende strömten mehr als 150.000 in die Stadien. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Paralympics die erhoffte Zahl von einer Million verkaufter Karten erreichen. Bis einschließlich Samstag waren 980.000 Tickets abgesetzt worden. Und die Kassenhäuschen auf dem Olympia-Gelände waren weiter umlagert. Viele Zuschauer mussten stundenlang warten, um einen Blick auf die Athleten zu werfen.
„Das sind meine fünften Paralympics, ganz klar die besten, die ich je mitgemacht habe“, bestätigte der deutsche Tischtennis-Goldmedaillengewinner Thomas Kurfeß.
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