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Kinokampf mit Freikarten

Die Methoden im Kino-Konkurrenzkampf werden rabiater: Eine Kette verteilt 40.000 Freikarten, die Konkurrenz erstattet Anzeige wegen unlauteren Wettbewerbs. Insider schätzen, dass es in der Hauptstadt etwa 20.000 Kinosessel zu viel gibt

Der Konkurrenzkampf zwischen den Kinobetreibern treibt immer wildere Blüten. Längst ist der einst nur am so genannten Kinotag übliche Ermäßigungstarif von montags bis donnerstags zu haben. Vor kurzem aber verteilte eine Kette gar 40.000 Freikarten, um ihr gerade fertig gestelltes Filmtheater voll zu bekommen. Die Konkurrenz klagte unverzüglich.

„Die rabiaten Methoden sind mit den Ketten aus Übersee in die Stadt gekommen“, sagt Georg Kloster, der die Kinos der Yorck-Gruppe betreibt. Gegen die Freikartenaktion der australischen „Village-Cinema“-Kette hat er zusammen mit weiteren Kollegen Anzeige wegen unlauteren Wettbewerbs erstattet. Bevor eine Einstweilige Verfügung vor Gericht verhandelt wurde, einigten sich die Parteien jetzt stillschweigend. Zumindest vorläufig. Denn dass der Waffenstillstand lange halten wird, glaubt niemand.

„Die Sache ist in der Branche noch nicht ausgestanden“, sagt etwa Steffen Kuchenreuther, Präsident des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater. In seinem Verein sind rund 70 Prozent aller deutschen Kinos zusammengeschlossen, nur die ganz Großen und die ganz Kleinen haben eigene Verbände. „Freikarten zu verteilen, ist für mich ein Verzweiflungsakt“, sagt Kuchenreuther. Die lapidare Erklärung des Village-Managements, dass es sich nur um eine „ganz normale Marketingaktion“ handle, hält er für Humbug. Es geht um viel mehr: ums Überleben.

Seit Anfang der 90er überall in Deutschland die hochmodernen Multiplex-Center aus dem Boden schossen, herrscht ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen den Alteingesessenen und den Newcomern. Und nirgendwo stößt der Zuschauer auf so ein großes Überangebot wie in Berlin. Der Potsdamer Platz hat mit zwei Multiplex-Centern (zusammen 27 Säle), zwei Programmkinos und zwei Imax-Theatern im Umkreis von 300 Metern vermutlich die höchste Kinodichte in Europa. Wenn nicht sogar weltweit. „Berlin ist längst das Synonym für Overscreening“, sagt Kloster, „die Situation ist extrem, der Wettbewerb ruinös.“

Das „Village-Cinema“ in der Kulturbauerei in Prenzlauer Berg zum Beispiel wurde zu einem Zeitpunkt gebaut, als längst alle wussten, dass es überflüssig ist. Keine 500 Meter weiter nördlich hatte eineinhalb Jahre zuvor ein anderes großes Kinocenter aufgemacht. In unmittelbarer Nähe befinden sich zahlreiche kommunale und Programm-Kinos. Doch nur mit den vermeintlichen Einnahmen des „Village-Cinema“ rechnete sich das Sanierungskonzept für das angrenzende Kulturzentrum, das nun Galerien, Theater und Konzertsäle beherbergt. Also drückte der Bezirk ein Auge zu.

Insgesamt wuchs in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Kinosäle in der Hauptstadt von 162 auf 276. Von den rund 57.000 Sesseln sind nach Schätzungen von Insidern 20.000 überflüssig. Fünf weitere Multiplex-Projekte wurden im Sommer eingestampft, dennoch werden weitere Kinocenter entstehen, zum Beispiel am Alexanderplatz. Die Geschäftsführerin des Interessenverbandes der Programmkinos und Filmtheater, Eva Matlock, beschreibt die Situation so: „Der Kuchen wird zwischen immer mehr Leuten aufgeteilt, und keiner wird mehr satt.“

Kinotage die ganze Woche und massenweise Freikarten sind nur ein Mittel, um der Konkurrenz die Kunden abspenstig zu machen. Die großen Center wildern auch immer stärker in dem Bereich, der bislang den Kleinen vorbehalten war. So laufen etwa am Potsdamer Platz neben den neusten Hollywood-Streifen auch ausgesuchte Spezialprogramme auf Englisch, Französisch oder Italienisch.

Georg Kloster und Kollegen wollen jetzt alles daran setzen, dass zumindest die Aktion des „Village-Cinema“ eine Ausnahme bleibt. Kloster: „Die Frage der Schadenersatzansprüche ist noch ungeklärt.“

MATTHIAS KRAUSE/DDP

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