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Gewissen, leicht verschmutzt

■ Vom Mittelalter bis in die 90er Jahre: Der Film- und Theaterschauspieler Olgierd Lukaszewicz rezitiert zentrale Gedichte und Prosatexte polnischer Autoren

Es war eine echte Marktlücke: Fast niemand in der damaligen Bundesrepublik wusste irgendetwas über polnische Literatur, fast nichts war übersetzt, von Gesamtausgaben ganz zu schweigen. Und genau deshalb hat der aus Lodz stammende, zweisprachig aufgewachsene Karl Dedecius, – Übersetzer polnischer Literatur seit den 50er Jahren – 1980, mitten während des Kalten Krieges, in Darmstadt das Deutsche Polen-Institut erkämpft. Die Polnische Bibliothek hat der inzwischen 79jährige Dedecius gleich mit erfunden, ein von Suhrkamp ediertes Panorama polnischer Literatur, dessen abschließender 50. Band zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse erschien.

„Die unbekannte Schöne“ hat ein schwärmerischer Rezensent die in ihrer enzyklopädischen Anlage bis heute einzigartige Reihe genannt, und diesen Titel trägt auch die heutige Lesung in der Katholischen Akademie, in der Olgierd Lukaszewicz, einer der bekanntesten polnischen Theater- und Filmschauspieler, Texte aller in der Reihe vertretenen Epochen auf polnisch und deutsch rezitieren wird.

Vom Mittelalter bis in die 90er Jahre reicht das Textspektrum der AutorInnen, die sich – ob während der polnischen Teilungen des 18. Jahrhunderts, hinter dem Eisernen Vorhang oder unter Lech Walesa – nie im großen Stil vom real existierenden Sozialismus sowjetischer Prägung vereinnahmen ließen und sich zudem immer als europäisch begriffen. Trotzdem: Es gebe ein „Defizit an gegenseitiger positiver Kenntnis“ zwischen Deutschen und Polen, sagt Karl Dedecius, der 1999 ausgeschiedene Direktor des Polen-Instituts, und dieses wesentlich durch den Zweiten Weltkrieg gewachsene Misstrauen habe er abbauen wollen. Ein Ziel, dem sich – unter dem neuen Direktor Dieter Bingen expliziter politisch – das Institut weiter verpflichtet sieht.

Eine allzu hermetische Textauswahl wurde für den vom Polen-Institut mitorganisierten Abend deshalb nicht getroffen, vielmehr werden literarische Zeugnisse wichtiger Strömungen vorgestellt. Vorgestellt werden etwa die besonders zu „Teilungszeiten“ verehrten, den „Messianismus“ verkündenden „Nationaldichter“ Adam Mickiewicz und Juliusz Slowacki. Auch wird der jetzt in den USA lehrende Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz vertreten sein, ebenso die mit derselben Ehrung bedachte Lyrikerin Wislawa Szymborska. Und einer, der ein Leben lang zu Unrecht bloß Anwärter auf literarische Auszeichnungen blieb – der kürzlich verstorbene Zbigniew Herbert – wird mit Texten aus seinem jüngst auf Deutsch erschienen Roman Herrn Cogitos Vermächtnis vorgestellt.

Den Wegbereiter des polnischen absurden Theaters, Stanislaw Ignacy Witkiewicz, wird Lukaszewicz zitieren; Groteske pur bietet Slawomir Mrozek. Dazwischen will Lukaszewicz subtil gesellschafts- und systemkritische, in den 50er und 60er Jahren entstandene Lec-Aphorismen wie diesen streuen: „Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie.“ Petra Schellen

heute, 19 Uhr, Katholische Akademie, Herrengraben 4

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