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Prinz aus Nachbars Garten

Alte Hamburger Apfelsorten finden enormen Publikumszuspruch. Robust und schmackhaft lassen sie sich sogar auf dem Balkon ziehen  ■ Von Gernot Knödler

Krista Sager hätte sich ihren Einsatz als Marktfrau sparen können. Die Äpfel und Setzlinge der alten Sorte „Finkenwerder Herbstprinz“, die gestern auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz feil geboten wurden, fanden auch ohne die Überzeugungsarbeit der Zweiten Bürgermeisterin von der GAL reißenden Absatz. Der Beginn der Erntezeit des Finkenwerder Herbstprinzen war Anlass, für die Erhaltung alter Obstsorten im Alten Land zu werben – ein Anliegen, das bei den HamburgerInnen auf offene Ohren stößt.

„Wir haben für den Aufbau fast länger gebraucht als für den Verkauf“, sagte Marktfrau Janina Harmanci. In anderthalb Stunden gingen 500 Setzlinge über den Tisch. Auch eine Nachlieferung von weiteren 500 Stück war ruckzuck ausverkauft. An einem Obststand wurden alte Damen richtig giftig, weil die Bio-Bauern „bloß“ eine Tonne Äpfel mitgebracht hatten, von der nach wenigen Stunden nur ein Korb „Juwel von Kirchwerder“ übrig war.

Der Herbstprinz wurde bis in die 60er Jahre hinein von vielen Betrieben im Obstbaugebiet Altes Land angebaut, wie Michael Ruhnau vom Pomologen-Verein, dem Zusammenschluss der Apfelkundler, erzählt. Weil er nicht so appetitlich aussieht wie andere Äpfel und es sich der Handel mit wenigen Sorten bequem machte, flog er aus den Supermarkt-Regalen. Es bedurfte der besonderen Anstrengung weniger ökologisch arbeitender Betriebe und Vereine, um diese und andere Sorten vor dem Aussterben zu bewahren.

Apfelsorten sind schnell unwiederbringlich verloren, weil Äpfel Fremdbestäuber sind, wie Ruhnau erläutert: Sie vermehren sich entweder durch Bestäubung mit den Pollen einer anderen Apfelsorte, was automatisch zu einer neuen Sorte führt, oder durch das Propfen. Dabei wird ein Zweig der gewünschten Sorte mit dem Stämmchen einer beliebigen anderen Sorte als „Unterlage“ verbunden. Die Erhaltung einer traditionellen Apfelsorte muss also aktiv betrieben werden. Der Umweltverband BUND hat deshalb eine Aktion „Schüler retten alte Obstsorten“ ins Leben gerufen (taz berichtete). SpenderInnen seltener Zweigchen sind willkommen.

„Für Hamburg ist das doch ideal“, kommentiert Ruhnau die Renaissance des Finkenwerder Herbstprinzen. Der Apfel sei eine lokale Spezialität. Er schmecke gut, sei ans norddeutsche Klima angepasst, so dass ihm Pilze wenig anhaben können, und gespritzt werden muss er auch nicht. Am besten schmeckt er nach einigen Wochen Lagerung, etwa zu Weihnachten. An einem kühlen, feuchten Ort hält er sich bis März, ohne mehlig zu werden.

Baumschul-Chef Peter Klock zufolge, der die Setzlinge aufgezogen hat, ist der Herbstprinz so robust, dass er sogar in einem zwölf- bis 15-Liter-Kübel auf dem Balkon gedeiht.

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