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Wahlschlachtfeld Florida

Beim US-Präsidentschaftswahlkampf liefern sich Al Gore und George W. Bush in den so genannten „Battleground States“ wie Florida erbitterte Kopf-an-Kopf-Rennen. Hier entscheiden sich die Wahlen, weil der Sieger alle Wahlmännerstimmen bekommt

Die Kandidaten liegen in den Umfragen so eng zusammen wie seit 40 Jahren nicht

aus Washington PETER TAUTFEST

„Wir sind alt, aber morgen sterben wir noch nicht. Wir sind alt, aber gut leben wollen wir trotzdem noch. Wir sind alt, aber wir können noch träumen.“ Amedeo Trinchitella – kurz Trinchi genannt – versteht es, einen vollen Saal zum Kochen zu bringen. Seine 400 Zuhörer unterbrechen mit lautem Applaus. Trinchi ist 82 Jahre alt, das Durchschnittsalter auf dieser Wahlveranstaltung ist 75. Trinchi macht Stimmung für den 7. November. Er will an dem Tag dafür sorgen, dass die Mehrheit „seiner“ Alten zur Urne geht und demokratisch stimmt.

Trinchi ist ein mächtiger Mann. Zwar ist er nur Mitglied des Management- und Festausschusses in Century Village sowie Stadtrat in Deerfield Beach nördlich von Miami. Seine Hausmacht aber sind die 15.000 Alten hier, deren Stimmen er als geschlossenen Wählerblock einbringt.

Wer in diesem Altendorf heute 75 Jahre zählt, kommt aus New Jersey oder New York und hat die Zeit des Sozialreformers Roosevelt noch erlebt. Trinchis Oldies wählen zu 95 Prozent demokratisch. In Florida ist ein Viertel der Bevölkerung über 65. Ein Viertel mag rechnerisch nicht viel sein, aber es sind die Alten, die zur Wahl gehen.

Trinchis Alte sind allerdings nicht die Einzigen in Florida. Ihre Stimmen wiegen die anderer Senioren auf, die weiter nördlich wohnen und aus dem Mittleren Westen und dem Süden stammen. Florida ist dabei, Amerikas drittgrößter Staat zu werden, und seine Bevölkerungstruktur verschiebt sich dramatisch. Immer mehr Alte und Einwanderer lassen sich hier nieder.

Allein in Südflorida gibt es eine Million Hispanics. 65 Prozent davon sind Kubaner, deren größter Teil bei Miami lebt. Die hispanische Stimme macht zwar nur neun Prozent aus, in Miami aber wählen die Kubaner zu 80 Prozent – und das dann republikanisch. Ihre Stimme wiederum wird weitgehend durch die Schwarzen in Südflorida aufgewogen, die fast geschlossen für die Demokraten stimmen.

Eigentlich sollte Florida fest im Griff von George W. Bush sein, dessen Bruder Jeb hier Gouverneur ist. Doch Florida mit seinen 25 Wahlmännerstimmen ist zu einem der so genannten. „Battleground States“ geworden. In diesen Staaten wird die Präsidentschaftswahl entscheiden. Hier gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten der beiden großen Parteien, wobei der Sieger alle Wahlmännerstimmen des Staates bekommt.

George W. Bush, der sich um Florida eigentlich nicht sollte kümmern müssen, hat sich dort gestern per Bus auf eine ausgedehnte Tour gemacht, um in der Mitte des Staates Stimmen zu gewinnen. Die Region zog in der High-Tech-Industrie Zuwanderer ohne Parteiloyalität aus dem ganzen Land an.

Was Florida für Bush ist, ist für Al Gore der Nordwesten. In Staaten wie Washington und Oregon, die in den letzten Jahren konstant Demokraten gewählt haben, liegt Bush jetzt mit Gore gleichauf oder gar in Führung. Schuld daran ist der grüne Kandidat Ralph Nader. Der mobilisert grüne Stimmen für sich, die bisher den Demokraten zu Gute kamen. Nader liegt hier bei vier bis sechs Prozent.

Der Präsident wird nur dem Schein nach direkt gewählt. Tatsächlich trifft die Wahl des Präsidenten nach dem Urnengang ein Wahlmännerkollegium, in das die Bundesstaaten eine bestimmte Zahl Wahlmänner entsenden. Normalerweise spielen Staaten mit geringer Bevölkerungsdichte und wenigen Wahlmännern wie Oregon mit sieben oder New Mexico mit fünf Wahlmännern (gegenüber 54 in Kalifornien und 32 in Texas) keine große Rolle. In diesem Wahlkampf aber, der so eng ist wie seit 40 Jahren nicht mehr, spielt jede Stimme, jeder Wählerblock und jede Wahlmännerstimme eine Rolle.

Gore, der anderthalb Jahre lang im Schatten von Bush stand, ging nach dem Parteitag der Demokraten Mitte August in Führung. Seit den drei Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten aber stellen ihn die Medien als besserwisserischen Klassenprimus und den ahnungslosen Bush als sympathischen Nachbarn dar. Entsprechend ging Bush in Führung.

Die Washington Post, die jeden Tag Umfrageergebnisse in Form einer Grafik veröffentlicht, zeigt neuerdings wieder ein Aufholen Gores. Gestern lagen Gore und Bush bei 46 Prozent wieder gleichauf.

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