mit wohnungsleerstand auf du und du: Baustoffe und Energie für nichts und niemanden
Ressourcenverschwendung
Über eine Million Wohnungen stehen derzeit in Ostdeutschland leer. Die Folgen sind für alle Beteiligten gravierend: Vermieter haben Einnahmeverluste in Millionenhöhe, Bewohner leergezogener Häuser fühlen sich isoliert, ganze Stadtteile rutschen aus dem sozialen Gleichgewicht. Das Dresdner Institut für ökologische Raumplanung (IÖR) hat einen weiteren Leidtragenden ermittelt: die Umwelt.
„Der Wohnungsleerstand bringt eine enorme Ressourcenverschwendung mit sich“, weiß Clemens Deilmann, Leiter der Abteilung Bauökologie im IÖR. Er berechnete, wie hoch die Baustoff- und Energieverschwendung aufgrund der leer stehenden Wohnungen ist und kam auf frappierende Ergebnisse: Bei einem durchschnittlichen Energieverbrauch von 40 Kilowattstunden pro Quadratmeter stößt jede leer stehende Wohnung jährlich bis zu einer Tonne CO[2]aus – weil die umliegenden bewohnten Wohnungen die leer stehenden Räume mitbeheizen.
Der ostdeutsche Leerstand emittiert demnach eine Million Tonnen CO[2]völlig nutzlos in die Atmosphäre. Selbst bei einer Rechnung, die mitberücksichtigt, dass die Hälfte der Wohungen in leergezogenen Häusern liegt, entspricht die Energieverschwendung immer noch ungefähr der Jahres-CO[2]-Emission für Wohnungsbeheizung von Dresden: 552.000 Tonnen.
Zusätzlich zur verpufften Energie verrotten massenweise Baumaterialien – genutzt von nichts und niemandem. Etwa 140 Tonnen Baustoffe werden für eine Dreiraumwohnung von 70 Quadratmetern verbaut. Umgerechnet auf eine Nutzungsdauer von 100 Jahren pro Wohnung liegen demnach jährlich 1,4 Tonnen Baustoffe brach. Dieses Ressourcenvolumen entspricht einer Kolonne voll beladener Lkws auf der Strecke München–Flensburg.
Um zumindest die ökologischen Probleme des Leerstands zu reduzieren, empfiehlt Deilmann, den Leerstand per Umzugsmanagement zu „ordnen“: „Wenn Mieter aus halbleeren Häusern zusammenziehen, können unbewohnte Gebäude aufgegeben werden – das spart erheblich Energie.“ Mauerdurchbrüche zwischen benachbarten Wohnungen würden „extensives Wohnen“ erlauben und gleichzeitig die Bausubstanz sichern. Der Abriss leerer Häuser ist für Diehlmann nur „Mittel der letzten Wahl“. Denn selbst wenn das Abbruchmaterial wiederverwertet wird, gilt es bestenfalls als ressourcenschonender Baustoff minderer Qualität. KATJA TRIPPEL
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