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Weniger Besuch, weniger Ausflüge

AWO-Studie: Arme Kinder sind mehrfach benachteiligt. Intakte Familien können aber einiges ausgleichen

BERLIN taz ■ „Jetzt wird empirisch bestätigt, was wir immer vermutet haben“, sagte Gerda Holz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der gestern vorgestellen AWO-Studie zur Kinderarmut. Zwei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Deutschland in Haushalten, denen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommen zur Verfügung steht oder die von Sozialhilfe leben. Sie haben nicht nur einfach weniger Geld zur Verfügung als ihre Altersgenossen, sondern leiden unter gravierenden Nachteilen in ihrer persönlichen Entwicklung, stellte die Studie fest.

Arme Kinder können ihr zufolge häufig nicht an Ausflügen teilnehmen oder Spielkameraden nach Hause einladen, weil dort beengte Verhältnisse herrschten. Mehr als dreimal so häufig als ihre besser gestellten Altersgenossen kommen Kinder aus armen Familien hungrig in die Einrichtungen, haben die Mitarbeiter der mehr als 2.700 befragten Jugend- und Familienhilfe-Stellen der AWO beobachtet. Die Mitarbeiter wurden in den vergangenen drei Jahren vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik befragt.

Etwa ein Drittel der armen Kinder sei besonders stark von Einschränkungen betroffen. Andererseits schaffe es etwa ein Viertel der materiell armen Eltern, ihren Kindern trotzdem gute Entwicklungsbedingungen zu bieten, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Gemeinsame Aktivitäten der Familie könnten finanzielle Benachteiligung teilweise auffangen.

Selbstkritisch stellte die AWO fest, dass die bisherigen Hilfseinrichtungen nur einen Teil der benachteiligten Kinder und Jugendliche erreichten. Etwa sechzig Prozent erhielten keine besondere Betreuung. Dabei herrsche bei den befragten Fachkräften ein hohes Problembewusstsein, hat Gerda Holz beobachtet. „Häufig hieß es: Endlich stellt mal jemand diese Fragen.“ Die AWO will jetzt umfangreiche Qualifzierungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter beginnen.

Mit der Studie im Rücken möchte der Wohlfahrtsverband aber auch Druck auf die Politik machen: Gefragt seien insbesondere die kommunalen Verwaltungen. Sie sollten Kindertagesstätten ausbauen und ihr Personal verstärken, forderte der AWO-Bundesvorsitzende Manfred Ragati gestern.

„Die Folgen von Armut werden meist zu spät bekämpft, etwa bei Schulversagen oder kriminellen Vergehen von Jugendlichen“, sagte Ragati. Wenn nicht frühzeitig geholfen werde, drohe eine lebenslage Armutskarriere. Die Studie hatte neben der Befragung in Kindertagesstätten auch die Lebensläufe junger Erwachsener untersucht, die aus armen Familien stammten.

FIETE STEGERS

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