schnittplatz: Lügen über lange Beine
Nicht mal auf feministische Diskussionen kann man sich noch verlassen. Sollte doch am Mittwoch ein Klassiker im Berliner Abgeordnetenhaus debattiert werden: „Die langen Beine der Gunda R.“, vulgo: wie die fiesen Medien Klischees über Frauen verbreiten.
Von 100 Personen, die in den Fernsehnachrichten namentlich genannt werden, sind nur 18 weiblich, hat ein „Global Media Monitoring Projekt“ herausgefunden. In den Bildern dagegen zeigt man sie gerne, insbesondere wenn sie weinen und sich so schmerzlich schön als Betroffene oder Opfer inszenieren lassen. Also erst mal eine Runde Prügel für Kollaborateusen des Patriarchats wie Sabine Christiansen, die notorische Männereinladerin? Nichts da.
Zwar versucht Edith Niehuis, Staatssekretärin von Frauenministerin Bergmann, die Schere zwischen Eventjournalismus und fleißig hinter den Kulissen arbeitenden Politfrauen in globale Medienkritik münden zu lassen, aber vergebens: Nicht nur die Medienvertreterinnen Tissy Bruns (Tagesspiegel) und Dorothee Bamberger (ARD Hauptstadtstudio) kontern, dass, wer keine News produziere, eben auch nicht in den Nachrichten sei.
„Ich hasse es, mit Journalisten zu reden“, ist laut einer Studie ein symptomatischer Satz von Politikerinnen. Renate Künast, Parteivorsitzende der Grünen, setzt nach: „Der Satz ist doch ein Armutszeugnis“, man könne nicht Handwerker werden wollen und sagen: „Aber Schraubenzieher nehme ich nicht in die Hand“.
Wer sich weigere, Statements zu formulieren, die in fernsehgerechte 15 Sekunden passen, sei selber schuld. Dazu „Old Germany“ in Person von Edith Nihuis: „Ein Satz, der nur 15 Sekunden dauert, ist immer falsch.“ (Dieser Satz dauert etwa drei Sekunden).
Auch am lebenden Beispiel Angela Merkel ließ sich die Medienkritik nur bedingt durchhalten: 50 Treffer habe sie in der Pressedatenbank gefunden, als sie „Merkel“ und „Frisur“ eingegeben habe, berichtet Moderatorin Ulrike Helwerth vom Journalistinnenbund, der die Diskussion organisiert hat. Mal wieder nur aufs Äußere reduziert, die Frau Parteivorsitzende? Tissy Bruns: „Wenn Sie ‚Scharping’ und ‚Bart’ eingegeben hätten, hätten Sie hundertfünfzig Treffer gehabt.“ HEIDE OESTREICH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen