piwik no script img

BRITISCHE REGIERUNG LEGT GROSSEN BSE-BERICHT VORGiftiges Agrobusiness

Die Methoden der intensiven Landwirtschaft seien „ein Rezept für das Desaster“ um BSE gewesen, meinte gestern der britische Landwirtschaftsminister Nick Brown anlässlich der Vorstellung des lange erwarteten Untersuchungsberichts zur Rinderseuche. Von Großbritannien hatte die Epidemie Mitte der 80er-Jahre ihren Ausgang genommen. Und der Rinderwahn hat längst auf Menschen übergegriffen, wenn auch – verglichen mit der Zahl der Rindfleischesser – mit „nur“ ein paar dutzend Toten bisher. In 16 Bänden weist der Bericht nach, wie die frühere Tory-Regierung und die Agrarlobby gemeinsam Informationen und frühe Warnungen an die Bevölkerung zurückgehalten haben, wie Kompetenzgerangel Forschung behinderte. Nun ist es von der derzeitigen Regierung wohlfeil, auf die vorherige einzuschlagen.

Spannend würde es erst, wenn die jetzige Labour-Regierung Gegenmaßnahmen ergriffe: Das würde nämlich in letzter Konsequenz bedeuten, etwas gegen eben jene „desaströse“ intensive Landwirtschaft zu tun. Und zwar EU-weit. Damit aber würden alle Regierungen in Konflikt mit ihrer heimischen Agrarlobby geraten – denn auch in Belgien, Frankreich oder Deutschland geben eben jene Landwirtschaft und jene verabreitende Industrie den Ton an, werden Nahrungsmittelskandale möglichst verschwiegen. Die kleine neutrale Schweiz bekommt wegen BSE ein Exportverbot aufgebrummt, die EU-Riesen Frankreich und Deutschland prüfen nur nachlässig, können ihr Rindfleisch aber munter in der Gegend umherkarren.

Bisher scheiterten selbst wohlmeinende Politiker an der Größe des Problems: Internationale Verträge erzwingen die Öffnung der Grenzen für Agrarprodukte, ohne Ansehen ihrer Produktionsweise. Wer das ändern will, muss das ganze Paket der Agrarsubventionen neu schnüren. Es ist undenkbar, einfache Regeln für Konsumenten, Tier- und Umweltschutz zu erlassen, ohne das internationale Minenfeld der ausufernden Beihilfen und Zölle zu beseitigen; ohne Tiermehl, Hormonfleisch und hunderte von Zusatzstoffen zu verbieten.

Doch das ist Träumerei. Denn die Landwirte arbeiten auf Hochtouren und treiben sich mit immer höherer Produktion und immer niedrigeren Erzeugerpreisen selbst in den Ruin. Und die Konsumenten wollens billig und gut. Bis da ein Umdenken stattfindet, wird noch so mancher Essensskandal ins Land gehen. Zum Glück kann sich fast jeder ausklinken. Für etwas mehr Geld im Biosupermarkt einkaufen – und dann ruhig kauend beobachten, was die internationale Fleisch- und Futterindustrie so treibt. REINER METZGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen