Drei Jahre im Dschungel nicht genug

Die Wochenzeitung „Jungle World“ feiert in der Roten Flora ihr dreijähriges Bestehen  ■ Von Gaston Kirsche

Die Wochenzeitung Jungle World feiert heute in der Roten Flora, dass sie seit über drei Jahren erscheint. Keineswegs selbstverständlich, denn das Startkapital der Jungle World bestand nur aus Wut und ein paar Sparbüchern. Im Mai 1997 entließ Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer der Tageszeitung junge Welt, den Chefredakteur Klaus Behnken. Er wollte damit erreichen, das es in der jungen Welt weniger um, seiner Meinung nach, abseitige linksradikale Minderheitenthemen ginge, sondern in biederer Form um die „soziale Frage“ und um ein besseres Deutschland. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP wurde er deutlich: „...in der Redaktion hätten eine antifaschistische und eine antinationale Fraktion ein Übergewicht bekommen.“ Die Sorge war er bald los. Nahezu die gesamte Redaktion besetzte damals die junge Welt und wurde von ihm deswegen gefeuert.

Die gemeinsame Ausgangsposition der Jungle World-Redaktion war neben der Empörung über den Rausschmiss die Kritik an einem traditionalistischen linken Weltbild, das ungerührt wie einfältig an DDR-Folklore anknüpft. Und mehr noch: Als in Essen am 7. Oktober, aus einer Demonstration gegen das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten heraus, Steine auf die Alte Synagoge geschmissen wurden, war das der jungen Welt nur eine Kurzmeldung wert, die das Eingreifen der Polizei kritisierte. Die Jungle World dagegen machte die Angriffe gegen Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in der BRD in ihrer nächsten Ausgabe zum Titelthema und kritisierte den alltäglichen Antisemitismus.

Dieses Aufgreifen wichtiger, gerade auch unter Linken strittiger Themen ist keine Ausnahme, wenngleich die Zeitung sich nicht auf eine bestimmte linksradikale Strömung festlegen lässt. Oft widersprechen sich Artikel, im besseren Fall als kontroverse Debatte, manchmal stehen sehr verschiedene Sichtweisen unvermittelt nebeneinander.

Redakteur Klaus Behnken erklärte im Juli 1998 nach einem Jahr Jungle World: „Viele Leute nehmen nicht mehr alles so ernst. Wir wollen kein Politblättchen machen, das hier keiner lesen mag. Keine Programmatik. Manche wollen eine radikal linke, aber andere eben einfach eine schöne Zeitung machen.“ Manche Artikel sind voller lockerer Sprüchen. Andere Texte enthalten dagegen sonst schwer zugängliche Hintergrundinformationen. Jede Woche wird ein Thema ausführlich in einem vierseitigen Dossier behandelt.

Die Auflage von 15.000 Stück erlaubt keine großen Sprünge: Die Honorare sind niedrig, die Arbeitsbedingungen prekär, und für den jährlichen Ausflug – diesmal nach Ligurien –, um in sonniger Gegend eine Auswärtsausgabe zu produzieren, musste die Belegschaft eine Anzeige in eigener Sache in die Jungle World setzen: „Auto gesucht“. Leider ist die BRD nicht das Land, wo linksradikale Medien viel gekauft werden. Wenn aber einmal mehr Leute die Schnauze voll haben vom hässlichen rassistischen deutschen Alltag, ZDF-Vorabend-Serien und Standortgesülze – dann könnte die Jungle World sogar mal mainstream werden. Zur Feier des 500.000 Abos könnte dann der Berliner Reichstag demontiert werden.

Wäre nett, aber: „Bisher leben wir von der Hand in den Mund und sind zur Expansion verdammt“, wie der Chef vom Dienst, Anton Landgraf, aus Anlass der Berliner Feier zum dritten Geburtstag erklärte. Für 2000 Mark Brutto arbeiten 15 RedakteurInnen jedes Wochenende durch. Wenn dann Montagabend die letzten Seiten in die Druckerei geschickt werden ist frei bis zur Redaktionskonferenz am Mittwochmittag. Dann kommen die ersten Anrufe von AutorInnen, die mit der Bearbeitung ihrer Texte unzufrieden sind. Es ist immer zuwenig Zeit. Aber nächsten Mittwoch erscheint wieder eine Jungle World.

Sonnabend, ab 21 Uhr, Rote Flora; mit Überraschungsband, danach Knockout Broadcasting (Roots Commandment + HipHop-Funk-Soul-DJ Block Barley)