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Opfer müssen wieder bangen

Zweitgutachterin des Polizeiärztlichen Dienstes ist wieder im Amt. Sie hatte im Alleingang mehr als 400 Gutachten des Zentrums für Folteropfer zurückgewiesen

Sie gab an verfolgt zu werden, wurde von der Polizei gesucht und musste sich in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik sogar untersuchen lassen. Die Frau, von der hier die Rede ist, ist allerdings kein traumatisiertes Folteropfer, das in Berlin Zuflucht gesucht hat, sondern eine Mitarbeiterin des Polizeiärztlichen Dienstes (PÄD). Monatelang hatte sie die Gutachten des Zentrums für Folteropfer über Traumatisierungen von Flüchtlingen in Zweifel gezogen. Nun ist sie, trotz polizeilich verordneter Untersuchung, wieder im Amt.

Allein bis Juni hatte die Mitarbeiterin quasi im Alleingang über 400 Gutachten des Zentrums für Folteropfer zurückgewiesen. Ein bundesweit einmaliger Vorgang, der für viele Betroffene die Abschiebung zur Folge hatte. Wie sehr jene Kritiker Recht hatten, die die Arbeit des PÄD als Zentrum für Gefälligkeitsgutachten kritisierten, zeigte nicht zuletzt die juristische Überprüfung der PÄD-Expertisen. Diese wurden nämlich bereits in 70 Fällen zurückgewiesen, sagt der bündnisgrüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland. In diesem Zusammenhang spricht er von einem Skandal. Er zweifle stark daran, dass die Polizei Folteropfer kompetent begutachten könne.

Die Innenverwaltung wollte gestern zu dem Vorgang keine Stellungnahme abgeben. Eine Sprecherin von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) betonte aber, dass derzeit keine weiteren Gutachten angefertigt würden. Hintergrund ist eine Aufforderung des Landesparlaments an den Berliner Senat, der jetzt prüfen soll, ob eine Zweitbegutachtung bei anderen Senatsverwaltungen besser aufgehoben wäre. Darüber hinaus steht bei der Innenministerkonferenz im November ein Bleiberecht für Folteropfer auf der Tagesordnung.

Wolfgang Wieland von den Grünen fürchtet freilich, dass Innensenator Werthebach bis dahin „den Rest der Fälle im Schnelldurchlauf bearbeiten lässt, bevor er dann bekannt gibt, dass es zu einer Veränderung des Verfahrens kommt“.

Auch Sybille Rothkegel, die für ihre Arbeit beim Zentrum für Folteropfer das Bundesverdienstkreuz bekommen hat, traut der Innenverwaltung nicht. Sie fordert nach wie vor, in Gänze auf die Praxis der Zweitbegutachtung zu verzichten. „Für die Betroffenen ist das doch nicht zumutbar.“ Gegen die Praxis des Polizeiärztlichen Dienstes hatte in der Vergangenheit auch die Berliner Ärztekammer protestiert.“ UWE RADA

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