: „Lust auf Kribbeln“
Niemand sammelt mehr grünes Geld als das Unternehmen Versiko. Alfred Platow, einer der zwei Gründer, will bald Öko-Aktien an die Börse bringen
Interview REINER METZGER
taz: Wie ist es Versiko gelungen, im vergangenen Jahr allein bei Altersversicherungen ein Beitragsvolumen von fast 500 Millionen Mark zu vermitteln?
Alfred Platow: Da helfen ein bisschen die neuesten Statistiken: Frauen, die heute im Alter von 30 bis 40 sind, werden demnach 86,9 Jahre alt und die Männer 84,9 Jahre. Wenn dieses unser langes Leben nicht auf dem Niveau der staatlichen Rente liegen soll – das sind für Frauen derzeit im Schnitt knapp 700 Mark monatlich –, müssen wir vorsorgen. Dafür hat Versiko eine ganze Reihe von selbst konzipierten Altersversorgungssprodukten, in denen entweder ein Teil, die Hälfte oder alles gemäß unserer politischen Vorstellungen, nämlich in ökologische Unternehmen weltweit, investiert wird. Und dabei sind wir mit Abstand die Ersten mit über 44.000 Kunden in Deutschland.
Wird Versiko da zum grünen Pendant der Allianz AG?
Nein, wir haben nicht die Macht über das Geld. Denn das geht an Versicherer in ganz Europa. Und die Macht darüber hat der, der es anlegt. Unsere Stärke ist die Unabhängigkeit und die inhaltliche Ausrichtung. Unsere Kunden möchten, dass wir mit dem Geld Einfluss nehmen auf die Anlage des Geldes.
Die Weiterführungs des Klassenkampfes mit kapitalistischen Mitteln?
Versiko-Mitgründer Klaus Odenthal und ich waren in den 70er- und 80er-Jahren bei Demonstrationen auf der Straße. Und wir haben gemerkt, das ist der falsche Weg für uns. Die politischen Entscheidungen werden woanders getroffen, die sind Entscheidungen des Geldes. Und wir haben Jahre gebraucht, um in die Vorstandsetagen der Banken und Versicherungen im wahrsten Sinne des Wortes vorzudringen und denen klar zu machen: Wir haben jetzt eine Größe, wir wollen, dass unsere inhaltlichen Vorstellungen bei der Kapitalanlage berücksichtigt werden.
Und warum die Gründung des eigenen Fonds Ökovision?
Die kleinen Beträge vieler, die bisher bei der Sparkasse oder Post lagen, wandern derzeit in Aktienfonds unterschiedlicher Couleur. Klaus und ich hatten schon 1989 die Idee zum ersten „echten ehrlichen“ ökologischen Aktieninvestmentfonds. Ökovision ging allerdings erst 1996 in Luxemburg auf den Markt, weil wir in Deutschland keine Genehmigung bekamen. Wir haben den Fonds jetzt vier Jahre auf dem Markt und sind mit seinen 160 Millionen Mark unter den größten 25 Prozent in Deutschland. Das sind wichtige Daten: Sie zeigen, dass sich Ökologie in Richtung Ökonomie bewegt.
Und Versiko dürfte auch ganz gut daran verdienen ...
Wenn wir irgendeinen fremden, stinklangweiligen, konservativen Fonds verkaufen, ist unser Profit wesentlich höher. Wir treiben bei Ökovision ja einen Riesenaufwand mit Beirat, Werbung und so weiter. Andere Kapitalanlagegesellschaften belächeln uns deshalb. Nach unserer Rechnung verdienen wir an Ökovision erst ab einer Größe von 250 Millionen Mark.
250 Millionen sind ja nicht utopisch. Die angelsächsischen ethisch-ökologischen Fonds sind milliardenschwer.
Ein Dutzend amerikanischer Fonds wären hier zugelassen, aber die relativ sauberen haben sich am Markt nicht lange gehalten. Ethisches Investment dort hat mit dem, was wir hier machen, überhaupt nichts zu tun. Die würden hiesigen Kriterien meist nicht genügen. Und die zwölf ethisch-ökologischen Fonds in England fallen völlig aus, weil die keine Vertriebszulassung in Deutschland haben.
Also gibt es nur wenige Öko-Anlagemöglichkeiten. Wie dann das Risiko streuen?
Höchstens 50 Prozent ehrlich und ökologisch anlegen. Die restlichen 50 Prozent würde ich verteilen auf andere Risikoklassen, nach Wirtschafts- oder Währungsregionen. Oder nach persönlichen Optionen, zum Beispiel ein Dollar-Wertpapierdepot in den USA. Wenn man vor Ort ist, kann man Geld abheben.
Aber wo bleibt dann das gute Gewissen bei der Geldanlage?
Jeder, der irgendetwas dogmatisch angeht, macht eine Bauchlandung. Wenn ich Ökologie ernst nehme, dann muss ich die wirtschaftlichen Bedingungen dieses kapitalistischen Systems akzeptieren.
Also bleibt die Abhängigkeit von konventionellen Banken?
Hmm, na ja. Unsere Tochter Versiko Vermögensverwaltung hat seit vier Monaten die Teilbanklizenz. Wir können damit selber Aktien vermitteln, und brauchen keine andere Bank. Bald werden wir in wirklich großen Volumina Aktien aus dem Bereich Ökologie an den Markt bringen, die noch nicht an der Börse sind. Das ist die Spannung. Darauf haben die Leute Lust. Nicht nur wegen des Geldes, sondern auch wegens des Kribbelns, das damit verbunden ist. Das erfordert aber eine bestimmte Größenordnung, die wir auch erreichen wollen. Das geht nicht mit ein paar Millionen Umsatz im Jahr.
Droht da nicht das Internet-Phänomen – Boom und Crash?
Wir haben im Moment zu wenig Werte. Die steigen dann manchmal überproportional, weil die zunehmende Zahl der Anleger zu wenig kaufen kann. Die Menge an Aktien muss breiter werden.
Und wenn die Leute reich geworden sind, übernimmt Versiko die Vermögensverwaltung?
Wir verwalten auch größere Vermögen, das stimmt. Die sind aber meist vererbt. Da geht es viel um Steuernsparen.
Was ist so schlecht an der Besteuerung von Vermögen?
Wir würden nie jemanden mit unserem Wissen unterstützen mit dem Ziel, sich persönlichen Profit über das normale Maß hinaus zu beschaffen. Wenn jemand eine Million zu versteuern hätte und durch uns zum Beispiel 100.000 Mark im Jahr an Steuern spart, dann sehen wir auch hin, wo wir ihm ein schlechtes Gewissen machen können. Wir würden dann Vorschläge machen, wie er sich sozial engagieren könnte.
Also eine Umwidmung von Steuern zur privaten Spende?
Ja. Für sein persönliches Feld mit dem höchsten Grad an Effektivität. Einer unserer Kunden bezahlt beispielsweise mit seiner Steuerersparnis zwei Sozialarbeiter an der Klinik, in der er arbeitet, weil die keinen Etat mehr dafür hat. So wird das Geld nicht zum goldenen Grabstein.
Zitat:„Wenn ich Ökologie ernst nehme, muss ich die Bedingungen des kapitalistischen Systems akzeptieren“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen