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25.000 Düsseldorfer gegen Rechts

Auf der größten Kundgebung der Nachkriegszeit in Düsseldorf demonstrierten am Samstag Zehntausende gegen einen Aufmarsch von 260 Neonazis. „Ihr seid in Düsseldorf unerwünscht!“, rief ihnen der Oberbürgermeister Joachim Erwin zu

aus Köln PASCAL BEUCKER

Paul Spiegel war beeindruckt. Er habe heute einen Ruck durch die Düsseldorfer Bevölkerung erlebt, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden nach der großen Kundgebung gegen rechts in seiner Heimatstadt. In der letzten Zeit sei er schon ein wenig pessimistisch gewesen.

Rund 25.000 Menschen folgten am Samstag dem Aufruf Düsseldorfer Parteien, Verbände und der Kirchen, ein Zeichen gegen rechte Gewalt zu setzen. Anlass war ein von der Polizei genehmigter Neonazi-Aufmarsch.

Die 260 Neonazis versammelten sich unter der Führung des Dormagener NPD-Funktionärs Reinhard Vielmal und des Anführers der „Freien Kameradschaft Düsseldorf“, Sven Skoda, unweit des Rathauses auf der Düsseldorfer Rheinpromenade. Von der Polizei weiträumig abgeschirmt marschierten sie zum nordrhein-westfälischen Innenministerium und zurück. Dabei grölten sie Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“.

Bereits am Samstagmorgen waren über 2.000 Menschen dem Aufruf des „Bündnis gegen rechts“, an dem sich diverse linke Organisationen beteiligt hatten, zu einer „antifaschistischen Demonstration“ vor der Düsseldorfer Kunstsammlung gefolgt. Doch ihr Versuch, von dort zum Rhein zu ziehen und den Nazi-Aufmarsch zu verhindern, scheiterte. Ein Großaufgebot der Polizei blockierte die Wegstrecke.

Als „Schelmenstück“ bezeichnete Oberbürgermeister Joachim Erwin den Aufmarsch der Rechtsextremisten in seiner Stadt. „Ihr seid in Düsseldorf unerwünscht!“, rief der Christdemokrat ihnen entgegen. Erwins Rede auf dem überfüllten Düsseldorfer Marktplatz wurde von Pfiffen begleitet. Viele Düsseldorfer werfen ihm vor, zu lange die braunen Umtriebe in der Stadt heruntergespielt zu haben.

Erwin informierte darüber, welchen Tag sich die Neonazis für ihren Aufmarsch ausgesucht hatten: „Auf den Tag genau vor 62 Jahren, am 28. Oktober 1938, wurden die ersten Juden aus unserer Stadt deportiert.“ Die Düsseldorfer würden nicht untätig zusehen, „wie Ewiggestrige den Marsch in die Vergangenheit üben“.

Auch Paul Spiegel bekräftigte: „Wir lassen uns die Freiheit nicht nehmen, gegen diesen Pöbel aufzustehen, unser Gesicht zu zeigen und jeder, aber auch jeder menschenverachtenden Ideologie eine deutliche Absage zu erteilen.“ Spiegel wies allerdings auch darauf hin, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung daran nicht schuldlos sei, wenn sich pöbelnde Skinheads als Vollstrecker ihres Willens empfänden. So sei in den Elternhäusern, an den Schulen und am Arbeitsplatz nicht immer deutlich genug gemacht worden, dass Asylbewerber Flüchtlinge seien, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen. Und Spiegel attackierte die Politiker, die uns klar zu machen versuchten, dass Ausländer und Zuwanderung eine Bedrohung für unser Land seien und nicht eine Bereicherung.

Über die Mitverantwortung der Politik für den bundesdeutschen Rechtsextremismus wollte der sozialdemokratische NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement indes in seinem Beitrag nicht sprechen. Auch ein unmittelbar vor ihm entrolltes Transparent mit der Aufschrift „Nazis Morden – Der Staat schiebt ab“ ignorierte er tapfer. Clement sprach sich erneut für ein NPD-Verbot aus und betonte: „Für Gewalt und Rassismus ist in dieser Stadt und in diesem Land kein Platz.“ Rechtsextremismus und Antisemitismus dürften hier nie wieder eine Chance bekommen. Clement:„Das ist der einzige deutsche Sonderweg, den wir entschieden in Deutschland gehen sollten.“

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