: Frischer Wind für das „Andere Ufer“
Totgesagte leben länger: Die legendäre Schwulenkneipe in der Schöneberger Hauptstraße hat mit neuem Betreiber und neuem Outfit wiedereröffnet
Eigentlich war das „Andere Ufer“ schon längst über den Jordan. Doch jetzt hat das älteste offen schwul-lesbische Café Deutschlands unter neuem Betreiber wiedereröffnet.
Thorsten Lehmann sorgt dafür, dass die Legende in der Schöneberger Hauptstraße wieder lebt. Sinatra dudelt zufrieden im Hintergrund und alle sind glücklich, dass der Laden wieder da ist: Das Kiezpublikum hat sein Wohnzimmer wieder, die Touris bestellen schon wieder „one beer“ und laut Lehmann gibt es jetzt auch viel neue Kundschaft, die vielleicht erst durch die Grabreden – auch in der taz – auf das „Andere Ufer“ aufmerksam geworden ist.
Bei seiner Gründung im Jahre 1977 war das Café eine richtige Sensation, denn erstmals konnten sexuell Andersbegabte in aller Öffentlichkeit Kaffee trinken. Panoramascheiben hatten Klingel und Guckloch abgelöst. Der Laden wurde zum Symbol der Schwulenemanzipation, Prominente wie David Bowie und Michel Foucault waren gern gesehene Gäste.
Nachdem Gerhard Hoffmann, einer der beiden ursprünglichen Besitzer, das Lokal vor zwei Jahren verkauft hatte, ging es bergab: veraltete Technik, versifftes Mobiliar, Tulpen-Bettlaken statt Kunst. „Hamwa nich“ ersetzte nach und nach die Karte. Der Pächter war schlicht überfordert.
Der Neue hat früher im „Anderen Ufer“ gekellnert und möchte an die alten Konzepte von Hoffmann und Reinhard von der Marwitz anknüpfen. Das Prinzip der wechselnden Kunstausstellungen soll wieder Einzug halten.
Die Raufasertapeten mussten bereits weichen, stattdessen sieht man jetzt Mauerwerk unter abgeschlagenem Putz. Das war mal ein Trend im Osten der Stadt. Dafür ist schon ein neuer Tresen bestellt, und auch ansonsten kann von versifft keine Rede mehr sein.
Lehmann hat einen Teil der Schulden von seinem Vorpächter übernommen und den Schlüssel in die Hand gedrückt bekommen. Hauptmieter ist die Schultheiss-Brauerei. Lehmann ist optimistisch, seine jetzigen Investitionen wieder reinholen zu können: „Der Laden hat einfach ein unheimliches Potential.“ MARTIN REICHERT
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