: Über den Bereich Home in die Abteilung Men
In den Friedrichstadtpassagen herrscht inzwischen selbst mitten in der Woche reger Publikumsverkehr. Im Zentrum, zwischen den Galeries Lafayettes und dem Quartier 205, liegt die Königin des Exquisite Shopping. Im Labyrinth des Quartier 206 zerstreuen sich die Anhänger der Stadtschloss-Bewegung
von CHRISTOPH BRAUN
Es hat zwei Jahre gedauert, doch inzwischen herrscht selbst mitten in der Woche reger Publikumsverkehr in den Friedrichstadtpassagen. In ihrem Zentrum ruht zwischen den Galeries Lafayette und dem Quartier 205 das Quartier 206, die Königin des Exquisite Shopping.
Beim Gang durch die Passagen der Friedrichstraße muss man nicht einmal aufschauen, um den Führungsanspruch des Quartier 206 in Sachen Exklusivität zu erkennen. Schwarzweiße Marmorplatten markieren den Unterschied zum einfarbigen Boden der Galeries Lafayette. Hebt man den Kopf und schaut zur Seite, strahlen einen hässliche und nichtsdestotrotz sehr teure Kunstproduktionen an, zurzeit vor allem Marilyn-Monroe-Collagen. Es folgen ein paar edle Shops, dann steht man unter der Glaskuppel im Tageslicht.
Irrer Stilwirrwarr
Ein kitschiges Ornament schmerzt jetzt die Augen. In den Boden sind braunrote und ockerfarbene Steine eingearbeitet. Als Hommage an die Zwanzigerjahre sind die Lichtbänder entlang der Fassaden gedacht, die an Art déco gemahnen. Kreisförmige Deckenleuchten funkeln im Erdgeschoss wie ein Sternenhimmel, über den sich aber noch mal das Glasdach wie ein Direktimport aus dem Münchener Olympiastadion wölbt. Ein Stilwirrwarr, wie er nie weniger irr war.
Die Diskrepanz zwischen dem billigen Interior Design und den teuren Läden im Atrium – Mode von Guess? und Dessous von La Perla im Untergeschoss, Donna Karan und Gucci im Erdgeschoss, beide durch eine schwungvolle Treppe verbunden – erschlägt einen. Da setzt man sich erst mal ins Quartier-206-Café, wo man sich umgehend in bester Gesellschaft befindet.
Während die berüchtigten Busladungen voller Touristen durch die Passagen eilen, ergeht sich die eigentliche 206-Society im trägen Schritt. Man trägt Schwarz: „Es löscht alle anderen anwesenden Farben und rückt damit die Trägerin in den Mittelpunkt. Ihren weißen Hals macht es noch weißer, das schlanke Bein noch fleischlicher, ihre Hände sind selbstständige unkontrollierbare Zauberwesen“, meint die aktuelle Ausgabe von Passagen – Das Magazin aus den Friedrichstadtpassagen Berlin.
Einer dieser in Schwarz gehüllten Menschen bezahlt jetzt seine Melange und trägt seine Tragetasche von La Perla die Treppe hinauf in den Quartier 206 Departmentstore. Folgt man ihm diskret durch den etwas versteckten Eingang zum Flower Shop, wird man an wohlriechenden Pflanzen vorbei eine weitere Treppe hinaufgeführt. Man landet im Bereich Women, der Namen wie Dries van Noten und Comme des Garçons neben der Quartier 206 Imperial Collection führt.
Auf verschlungenen Pfaden durch die kleinen Salons des Stores gerät man über den Bereich Home and Living in die Abteilung Men. Wie im ganzen Quartier gibt sich das Personal hier sehr dezent, aber auch sehr höflich, sodass der in Schwarz gewandete Besucher einen schönen Nachmittag verbringt. Er läuft die Treppe dann wieder runter, erwirbt noch ein paar Cohibas und schreitet dann zur Jägerstraße hinaus.
Cohibas – schön, dass es im Quartier 206 auch die Zigarren des Bundeskanzlers gibt. Nur scheinbar zufällig liegt sein Amtsantritt nämlich jene zwei Jahre zurück, in denen die Zahl der Besucher wie die Zahl der vermieteten Ladenlokale stetig angestiegen ist. Tatsächlich gründet der Erfolg des Quartiers in einem gänzlich neuen Berliner Lebensgefühl, das kaum besser repräsentiert wird als durch die Porträts des Gerhard Schröder, mit seinen Cuba Classics und den berühmt-berüchtigten Anzügen von Brioni.
Zum Stadtschloss, bitte
Nennen wir es nicht „Größe“, nennen wir es „Grandezza“: Das Beste aller Epochen verschmilzt zu dem, was der Grandezza als schön gilt. Und das Quartier 206 ist das große Zerstreuungslabyrinth all jener, die Berlin als heutige Hauptstadt nicht ohne die Golden Twenties, Pariser Passagen und ähnlich klassische Motive städtischer Vergangenheit erleben wollen. „Zum Stadtschloss, bitte“, sagt der schwarz gekleidete Mensch und steigt mit seinen Einkäufen in ein Taxi.
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