piwik no script img

leben in funnylandyves eigenrauch übers verletztsein

jonathan, die möwe

kehren wir zurück zum sport. wer hätte das vor beginn der saison gedacht, dass der fc schalke 04 nach dem zehnten spieltag der ersten bundesliga in seiner tabellarischen platzierung so gut dastehen würde. nach einer recht durchwachsenen vorbereitung, in der auch die ergebnisse der freundschaftsspiele keinen grund zur (vor)freude gaben. ebenso wenig wie die tuscheleien über spielerverpflichtungen und abgänge und mögliche abgänge.

das schönste am sport. nur wenig lässt sich prognostizieren, wie sonst könnten wettbüros überleben? alles wenn und aber und hätte doch zeigt sich bar jeder relevanz, spätestens wenn am morgen des montags die menschen die bild-zeitung aufschlagen, sehen, dass ihr verein auf dem zweiten platz rangiert. oder dem zehnten, oder dem siebzehnten.

die drei von der tankstelle sind zu gast bei den drei von der benachbarten tankstelle. die ersteren liegen auf den massagebänken der letzteren und nehmen ihre pflege. landläufig werden die ersteren verletzte genannt, alles „aber“ hilft nicht. die letzteren physiotherapeuten. oder olli, kalle oder michael. olaf fühlt sich wie eine taube, sagt er und lacht dabei. gerne macht er einen scherz mit mir. nicht die taube meint er, sondern vielmehr die möwe, die möwe jonathan, die auf der suche nach ihrem selbst ist. in einem schmalen taschenbuch wird von richard bach beschrieben, wie jene möwe gegen den widerstand ihresgleichen ihren lebensinhalt findet.

er lacht. oder meint er vielleicht sich? fühlt auch er sich als jonathan, als einsamer kämpfer gegen alle widerstände, der sich zu verwirklichen sucht? als taube? vielleicht, immerhin gilt es auch für olaf, sich mit einer ihm bis dato vollkommen ungewohnten situation auseinander zu setzen, nämlich auch bei gesundheit nicht immer von anfang an spielen zu dürfen. tauben werden in unserer urbanen umgebung ungerne geduldet. weshalb auch immer!

feel(ing) zurück zum wenn und aber und hätte doch. welches verhalten hätte zur vermeidung unserer verletzung gereicht? egal. orientieren wir uns an der realität und vertrösten uns damit, dass wir kurz- oder mittelfristig unsere spielfähigkeit wiedererlangen werden.

besinnen wir uns darauf, dass der trainer derjenige ist, der bestimmt. zeichnen wir für einen erfolg insofern mitverantwortlich, als wir durch unsere trainingsleistung die mitspieler dermaßen fordern, dass sie gezwungen sind, noch viel mehr als ihr bestes zu geben. freuen wir uns darauf, dass sich kein spieler verletzt, sollte es aber doch so kommen, dass wir ihn, trotz fehlender spielpraxis, gleichwertiger ersetzen können, um uns über die gezeigte leistung dem trainer anzubieten.

dafür leben wir, dafür trainieren wir. der eine weniger, der andere mehr.

Autorenhinweis: yves eigenrauch, 29, ist angestellter von schalke 04, plagt sich derzeit mit einem muskelfaserriss herum und hat als rekonvaleszenter gelegenheit, mit seinem physiotherapeuten belletristische standardwerke zu interpretieren

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen