piwik no script img

Havarie vor Bretagne

Ein mit giftigen Chemikalien beladenes Transportschiff ist leck geschlagen und kann derzeit wegen des starken Sturms nicht geborgen werden

PARIS taz ■ Déjà-vu vor der bretonischen Küste: Bei stürmischer See ist gestern ein Transportschiff mit 6.000 Tonnen teilweise hochgiftigen Chemikalien an Bord in Seenot geraten. Nachdem die 14-köpfige Besatzung der „Ievoly Sun“ am frühen Vormittag per Hubschrauber geborgen wurde, blieb das mit Containern beladene Schiff sich selbst überlassen – bei Winden von bis zu 178 Stundenkilometern und bei Wellengang von bis zu acht Metern Höhe.

Bis zum Nachmittag bildete sich rund um die „Ievoly Sun“, die 80 Kilometer vor einem Vogelschutzgebiet an der nordbretonischen Steilküste bei der Insel Batz havarierte, bereits eine Seeverschmutzung. Es war unklar, ob es sich dabei um den Treibstoff des Schiffes oder um seine Chemieladung handelte. Der zur Bergung entsandte Hochseeschlepper „Abeille Flandres“ kreuzte gestern im Unglücksgebiet. Angesichts der Wetterlage war es nicht möglich, das Schiff weiter hinauszuschleppen. Die Besatzung hatte gestern Früh kurz nach vier Uhr Seenot gefunkt, nachdem sie einen Wassereintritt im Schiff bemerkt hatte. Zu dem Zeitpunkt befand sich die „Ievoly Sun“ in der „Straße von Ouessant“, jener vor der äußersten Spitze der bretonischen Halbinsel gelegenen Seestraße, auf der Öltanker, Chemietransporter und andere große Schiffe im Autobahnrhythmus zirkulieren. Hier nahmen bereits mehrere Seeunfälle ihren Anfang, die die Umwelt der bretonischen Küsten langfristig zerstörten – darunter auch die Katastrophe der „Amocco-Cadix“ vor über 21 Jahren. Die letzten sichtbaren Spuren jener Ölkatastrophe wurden erst vor wenigen Jahren an der bretonischen Nordküste beseitigt.

Die „Ievoly Sun“ hatte unter anderem eine bis gestern nicht bekannte Menge des hochgiftigen und krebserregenden Mineralölderivats Styrol geladen. Das zur Kunststoffherstellung verwendete Mittel befand sich gestern noch in Containern. Die französischen Behörden hofften gestern darauf, dass in diesem Worst-Case-Szenario das Styrol an der Meeresoberfläche verdunstet. Der neapolitanische Eigentümer des unter italienischer Flagge fahrenden Schiffs erklärte gestern gegenüber Journalisten, dass er „keine weiteren Probleme“ befürchte, denn das Schiff sei erst zehn Jahre alt und habe einen doppelten Boden.

Für wenig Zutrauen sorgte in Frankreich allerdings, dass die „Ievoly Sun“, die von dem britischen Hafen Fawley in Richtung des jugoslawischen Hafens Bar unterwegs war, just von derselben Seefahrtskontrollgesellschaft betreut wurde wie der im vergangenen Dezember vor der südlichen Bretagne auseinander gebrochene und gesunkene Öltanker „Erika“, dessen ölige Reste bis heute bei starken Fluten an die Küsten auf der südlichen Bretagne-Seite schwappen.

DOROTHEA HAHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen