: Wenn der kleine dünne Faden reißt
Der WDR-Talkshow-Moderator Domian hat sich selbst ein Denkmal schreiben lassen. Ein unvergessliches, in der Tat
Das Aufwachen
So heißt das erste Kapitel des Buches über Jürgen Domian. In welchem er sagt: „Wenn der (Schlaf) nicht funktioniert, dann schaffe ich dieses extreme Leben nicht.“ Extrem ist das Leben, weil „der erste Strahl der Nachmittagssonne sich durch die graue Jalousie bohrt“, während für den 42-Jährigen „der Tag beginnt“. Um 14.03 Uhr erst! Denn der Gummersbacher sitzt jede Nacht von 1 bis 2 Uhr beim WDR unter einem Kopfhörer und redet auf EinsLive, zeitgleich übertragen vom WDR-Fernsehen, mit Unbekannten über Probleme wie „ich bin ein Zwitter und habe als Frau geheiratet“, „ich bin pralinensüchtig“. Warum die Unbekannten den Mann anrufen, der sich durch nichts als das totale Fehlen jeglicher psychologischer Qualifikation auszeichnet, ist unbekannt. Aber vielleicht steht es in dem Buch von Wolfram Zbikowski, der übrigens auch Redakteur der Sendung ist.
Zunächst steht dort jedoch: „Handwerker können erst nachmittags oder frühmorgens ins Haus kommen. Ämter und Sparkassen sind oft schon geschlossen, wenn Jürgen aufsteht. Zahlreiche Einladungen in Talkshows hat Jürgen schon ausgeschlagen.“ Und dann erzählt Domian, wie er bei seiner Zahnhygiene Zahnseide benutzt: „Was habe ich zuerst rumgejammert. Jedes Mal riss dieser kleine dünne Faden durch.“ Aber jetzt kann er es.
Das Einkaufen
„Eine Metzgerei betritt Jürgen nur ganz selten. Feinkostläden dafür umso häufiger. Da darf das eingeschweißte Fertiggericht schon mal ein paar Mark mehr kosten.“
Vor der Sendung
Zuerst wird laut Zbikowski noch mal über das Hauptproblem Jürgens geredet: „Heute sechs Stunden am Stück.“ Dann geht es um die Themen der Sendung. „Was hältst du von dem Thema ‚An diesen Ort möchte ich nie mehr zurück?‘, frage ich Jürgen. ‚Klasse!‘, erwidert er spontan. Es gibt bestimmt viele, die mit einem ganz bestimmten Ort ein ganz bestimmtes, gravierendes Erlebnis verbinden.“ Und „Diese Sendung möchte ich nie wieder hören oder sehen“?
Die Sendung
„Eine Herausforderung. Ich kann mich auf meine Gäste überhaupt nicht vorbereiten“ (Domian). Eben.
Nach der Sendung
„Irgendwie hat es etwas Majestätisches, etwas Erhabenes, um diese Zeit hellwach zu sein“, findet Zbikowski. Jürgen Domian „macht es sich unter dem großen Hirschgeweih bequem“. Und verschläft hoffentlich die nächste Sendung. JENNI ZYLKA
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