: Regierungspartei droht das Aus
Nach den Präsidentenwahlen in Polen ist die Regierungspartei Wahlaktion Solidarnosc in eine tiefe Krise geschlittert. Grund ist deren Vorsitzender Marian Krzaklewski. Doch der umstrittene Politiker denkt überhaupt nicht daran, zurückzutreten
aus Warschau GABRIELE LESSER
Die Niederlage Marian Krzaklewskis bei den Präsidentenwahlen Polens vor drei Wochen könnte zum Zerfall der Regierung führen. Drei von vier Parteien aus dem Regierungsbündnis „Wahlaktion Solidarność“ fordern nicht nur den sofortigen Rücktritt des umstrittenen Politikers, sondern haben ihre Zusammenarbeit im Bündnis ausgesetzt.
Da Krzaklewski weder auf den Vorsitz in der Gewerkschaft Solidarność verzichten noch den Chefsessel der „Wahlaktion Solidarność“ (AWS) räumen will, die seit Juni die Minderheitsregierung stellt, drohen dem Bündnis und der Regierung der Zerfall.
Noch am Wahlabend hatte der Verlierer Krzaklewski ausgerufen: „Jetzt beginnt der richtige Wahlkampf“! Konsterniert waren vor allem die eigenen Bundesgenossen in der AWS. Für drei der vier Parteien im Bündnis – die Konservativ-Liberale Partei (SKL), die rechtskonservative Nationalchristliche Vereinigung (ZCHN) und die rechtskonservativen Polnische Christdemokratische Partei des früheren Solidarnosc-Chefs Lech Wałęsa (PPChD) – war Krzaklewskis Niederlage kein Grund zur Vorfreude auf den nächsten Wahlkampf. Vielmehr erwarteten sie eine Analyse des Fiaskos Krzaklewskis und seinen Rücktritt.
Dass Krzaklewski kein geeigneter Kandidat für das Präsidentenamt war, hatten die drei Parteien schon vor den Wahlen klar gemacht, sich aber nicht durchsetzen können. Sie hatten daher jeweils einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt oder sich von Krzaklewskis Kandidatur distanziert. Nur als Gesamtbündnis standen sie hinter ihm.
Die Politik der AWS bestimmten bislang die Gewerkschaft Solidarność mit dem Vorsitzenden Krzaklewski und ihr politischer Arm, die „Gesellschaftliche Bewegung Solidarnosc“ mit Jerzy Buzek, dem Regierungschef, an der Spitze. Diese beiden Organisationen haben mit 48 Prozent Stimmenanteil in der AWS genauso viel Gewicht wie die drei übrigen Parteien mit je 16 Prozent. Im Streifall entscheidet bei einem Patt von 3 : 1 der Chef der AWS. Um ihn abzusetzen, bedarf es laut Statut einer Stimmenmehrheit von 75 Prozent.
Da die Gewerkschaft aber zu Krzaklewski steht und befürchtet, ihren Einfluss in der Regierung zu verlieren, gibt es für die Oppositionsparteien im Bündniss nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie boykottieren Krzaklewski bei wichtigen Entscheidungen im Parteirat und setzen so ihre Forderung nach einer Umstrukturierung des Bündnisses durch – erst dies würde die Abwahl des Vorsitzenden möglich machen – oder sie treten aus.
Die Starrköpfigkeit Krzaklewskis könnte für die Minderheitsregierung das baldige Aus bedeuten. Doch Premier Jerzy Buzek ist zu schwach, um Krzaklewski zum Nach- oder gar Aufgeben zu bringen. Dabei müsste Buzek zu denken geben, dass Krzaklewski schon 1993 eine Solidarność-Regierung gestürzt hat. Für vier Jahre kamen die Postkommunisten an die Macht. Auch jetzt stehen diese vor der Tür und warten auf den nächsten Fehler Krzaklewskis und damit auf vorgezogene Neuwahlen.
Den grundlegenden Fehler aber hat Krzaklewski 1996 gamacht, als er die „Wahlaktion Solidarność“ als konservatives Parteienbündnis konzipierte, dabei aber die Gewerkschaft Solidarność zum Wortführer machte. Dass das auf die Dauer nicht gut gehen kann, zeigt nicht nur die Dauerkrise der Regierung, sondern auch der freie Fall der AWS seit dem Bruch der Koalition mit der liberalen Freiheitsunion (UW) Ende Mai dieses Jahres.
Der Gewinner des Streits ist Jerzy Buzek. Diesmal kommt dem Regierungschef zugute, was ihm sonst immer geschadet hat: sein Harmoniebedürfnis. Galt seine Suche nach einem Kompromiss bislang als Zeichen mangelnder Führungsfähigkeit, wird sie nun als große Stärke wahrgenommen. Dass ein „Diktator“ an der Spitze der polnischen Regierungspartei nicht gut ankommt, hat auch die Rechte Polens begriffen. Nur Krzaklewski will nicht wahrhaben, dass seine große Zeit vorbei ist.
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