: Spitzelaffäre versetzt FPÖ in Panik
Je mehr unangenehme Details die Ermittler zu Tage fördern, desto wilder schlagen Österreichs Freiheitliche um sich. Jetzt reden sie am liebsten von den Skandalen der Sozialdemokraten. Der Innenminister, so der Vorwurf, sei auf dem linken Auge blind
aus Wien RALF LEONHARD
Bei der FPÖ macht sich Panik breit. Je näher die Ermittlungen in der so genannten Polizeispitzelaffäre in den unmittelbaren Dunstkreis der Parteiführung vordringen, desto vehementer werden die Ablenkungsmanöver. Fraktionschef Peter Westenthaler verlangte am Mittwoch die Einsetzung einer eigenen Sonderkommission, die die Sünden sozialdemokratischer Politiker recherchieren soll.
Von den elf Polizeibeamten, die Anfang der Woche wegen Verdachts auf illegale Abfragen im Computerarchiv suspendiert wurden, gehören die meisten der freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF an, einer ist Vizechef der FPÖ Salzburg, einer Haiders Leibwächter. Bei diesem fand man kompromittierende Dokumente. Jörg Haider selbst wurde am Dienstag von der Wirtschaftspolizei vernommen.
Ewald Stadler, FP-Landesrat in Niederösterreich und wie Haider Objekt von Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft, wollte zuletzt bei einer Fernsehdiskussion nur von den „sozialistischen“ Skandalen sprechen. Der Briefbombenattentäter Franz Fuchs, der sich Anfang des Jahres in seiner Zelle erhängte, sei auf Grund seines sozialdemokratischen Elternhauses „ein Sozi“ gewesen, die Briefbombenattentate gegen Grüne, Sozialdemokraten und andere Befürworter einer liberaleren Ausländerpolitik ergo ein „sozialistischer Skandal“. Die Medien bezichtigt er einer gezielten Rufmordkampagne. Mit den „linken Journalistenkreisen“, so Stadler wörtlich, müsse „aufgeräumt werden“.
Dass die FPÖ-Führung sich immer wieder geheimer Akten bedient hat, ist weidlich dokumentiert. Jörg Haider hat sich stets gerühmt, Zugang zu Polizeicomputern zu haben. Doch angestiftet will man zum Amtsmissbrauch nicht haben. Der Wiener FP-Chef Hilmar Kabas wies Anschuldigungen des Ex-Polizeigewerkschafters Josef Kleindienst, wonach er diesem zwei Jahre für Spitzeldienste 2000 Mark monatlich gezahlt habe, zurück: „Erstunken und erlogen.“
Die Wiener Stadtzeitung Falter veröffentlichte indessen einen Brief Haiders aus dem Jahr 1997, in dem dieser dem damaligen Innenminister Karl Schlögl vorwirft, Eintragungen gegen straffällige Ausländer tauchten erst mit zehntägiger Verspätung im Polizeicomputer auf. Mit der Justiz wolle er seine Erkenntnisse aber nicht teilen: „Du wirst verstehen, wenn ich es nicht zulasse, dass jene mutigen Exekutivbeamten (die ihm die Daten illegal verschafften) nun zu Sündenböcken gemacht werden.“
Karl Schlögl, der immer wieder eine Allianz der SPÖ mit der FPÖ zu schmieden versuchte, galt Haider als „unser Mann in der Regierung“. Mit dem neuen Innenminister, dem ÖVP-Mann Ernst Strasser, ist die FPÖ weniger glücklich. Sie wirft ihm vor, die Polizei, die gegen Demonstranten nicht hart genug vorgehe, „nicht im Griff“ zu haben, und in der Spitzelaffäre den Koalitionspartner im Stich zu lassen.
Für Peter Westenthaler ist „der Innenminister mit dem Sicherheitsdirektor Erik Buxbaum auf dem linken Auge blind“. Und Salzburgs Parteivorsitzender Karl Schnell forderte gar die Absetzung von Strasser und die Suspendierung von Buxbaum. Andernfalls wolle er im Bundesvorstand den Antrag einbringen, die Koalition platzen zu lassen. Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) reagierte darauf gelassen: „Wer ein reines Gewissen hat, muss nicht wild um sich schlagen.“
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