Lacher aus uralten Zeiten

■ Im Waldau Theater hatte Brandon Thomas bekannter Schwank „Charleys Tante“ Premiere. Michael Derdas routinierte Inszenierung wirkt vor allem ziemlich museal

Dem dicken, als Frau verkleideten Mann wird beim Hinsetzen der Stuhl weggezogen. Er plumpst auf den Hosenboden und erntet dafür einen Lacher: Das Publikum amüsiert sich noch mehr als einige Minuten zuvor, als ein junger Student ihm ordentlich in den Hintern trat. Szenenapplaus bekommt der Mann dann später, wenn er aus Versehen Tee in einen Zylinder gießt und danach ungeschickt versucht, die Flüssigkeit wieder zurück in die Kanne zu schöpfen.

Darüber hat man sich 1892 in England köstlich amüsiert, darüber konnten sich die Deutschen in den spießigen 50-er Jahren gar nicht mehr einkriegen vor Lachen, und jetzt wird die Klamaukmaschine „Charleys Tante“ in Bremen angeworfen. Der Theaterhit von Brandon Thomas, angeblich mit 400 Millionen TheaterbesucherInnen nach Agatha Christies „Mausefalle“ das am zweithäufigsten gespielte Stück auf der Welt, wurde in Deutschland spätestens durch die Verfilmungen mit Heinz Rühmann und Peter Alexander berühmt. Vor diesem Witz und diesem Kino wandten sich damals viele mit Grausen ab, aber über Männer in Kleidern lacht man auch im neuen Jahrtausend immer noch.

So hofft es jedenfalls der Intendant des Waldau Theaters Michael Derda, der das Stück auch selbst inszenierte. Mit der „Rocky Horror Show“ und vor einiger Zeit auch mit erwähnter „Mausefalle“ setzt das Theater auf Publikumsrenner, und zumindest das Premierenpublikum schien (im allerdings nicht ausverkauften Haus) dankbar für diesen Schwank, bei dem nun wirklich jeder jeden Scherz ohne viel Nachzudenken verstehen konnte.

Die Geschichte ist simpel und nicht viel mehr als ein Vorwand, um komische Situationen aneinanderreihen zu können: Zwei Studenten können die von ihnen angebeteten Mädchen nur treffen, wenn eine Anstandsdame dabei ist. Die beiden rechneten fest mit der Tante des Studenten Charley, diese sagt aber den Termin in letzter Minute ab. In höchster Not wird ein dritter Student als Tante verkleidet. Natürlich taucht die echter Tante später auf, natürlich ist ein alter Geck ganz begierig darauf, den Herrn im Fummel zu küssen. Undsoweiter undsoweiter.

So grob wie der Plot sind auch die Pointen gestrickt. Brandon Thomas schrieb sein Stück, lange bevor Autoren wie etwa P.G. Wodehouse solche Farcen mit ihrem trockenen, alles andere als plumpen Humor veredelten. Nun könnte ja ein Regisseur versuchen, solch eine der Vorlage fehlende Finesse zumindest ansatzweise durch die Art der Inszenierung zu erreichen. Er könnte sich auch ironisch ein wenig vom Stück distanzieren. Oder er könnte schließlich den Trash-Faktor von „Charleys Tante“ dadurch erhöhen, dass er das Ganze gnadenlos übertreibt und sich über die alten Witze selber lustig macht. Nichts von all dem hat Michael Derda sich getraut.

Statt dessen nahm er den Schwank schrecklich ernst, kürzte zwar kräftig, so dass der Spaß nach weniger als anderthalb Stunden vorbei ist, ging aber ansonsten mit äußerster Werktreue vor. Da gibt es nicht ein Augenzwinkern dem Publikum gegenüber, kein Hinweis darauf, dass man hier eine Inszenierung im 21. Jahrhundert sieht. Derda inszenierte museal, und so wie Horst Arenthold sind in den letzten 100 Jahren schon Tausende Schauspieler als „Charleys Tante“ herumgestolpert, gefallen und belacht worden. Er gibt sich dabei auch große Mühe, komisch zu sein, und spielt politisch korrekt, also nie tuntig. Wirklich interessant an „Charleys Tante“ im Waldau Theater ist nur, dass es heute noch ein Publikum gibt, das darüber lachen kann. Wilfried Hippen

Weitere Vorstellungen von Di bis Fr, 20 Uhr; Sa und So, 19 Uhr; So auch 15.30 Uhr