: 6.000 Kardiologen
Auf den Münchner Medientagen sucht die Branche nach der „dritten Kraft“, streitet sich um Tortenstücke und sammelt Krümel – eine Zwischenbilanz
aus München STEFFEN GRIMBERG
Das Bild vom Kuchen passt: Der deutsche Fernsehmarkt ist verteilt, wer neben den Senderfamilien von Kirch und Bertelsmann auf der einen und dem öffentlich-rechtlichen Block auf der anderen Seite noch vom Backwerk naschen will, dem bleiben – Krümel.
Angebotsvielfalt bedeutet eben nicht Vielfalt der Anbieter, und Neueinsteiger in den zumindest in Sachen Programmauswahl üppigsten Free-TV-Markt der Welt plagt noch ein viel ärgeres Problem: Der alles entscheidende Werbekuchen ist auch schon weg. Rund 40 Prozent aller Werbeeinnahmen flossen 1999 in die Kassen der RTL-Familie, 50 Prozent gingen an die Kirch-Gruppe, deren Beteiligungen an diversen Regionalsendern noch nicht einmal eingerechnet.
Manchmal langt es aber doch noch für ein schmales privates Tortenstück, dann rumort die Branche und schaut gebannt auf die „dritte Kraft“, die da im Entstehen begriffen sein könnte.
tm3 sollte so eine dritte Kraft werden, zumindest nachdem Rupert Murdoch Geld, Prestige und internationale Programmreserven mitbrachte. Aber der stieg schon bald lieber vom Kleinsender um in Kirchs Pay-TV-Wagnis Premiere World.
Doch schon sind neue „dritte Kräfte“ am Werk: tm3 soll jetzt im Verbund mit Georg Koflers Einkaufssender HOT wieder erblühen, Alexander Kluge und Kinowelt-Chef Michael Kölmel empfehlen sich ebenfalls als echte Alternative zum Blockfernsehen – nur fehlt bislang ein eigener Sender.
Und der ehemalige tm3-Geschäftsführer Jochen Kröhne („Ich war mal Teil so einer dritten Kraft“) werkelt an einem neuen TV-Projekt für seinen alten Chef, den Münchner Filmhändler und tm3-Gründer Herbert Kloiber, auch wenn der derzeit lieber tiefstapelt und erklärt, seine Prioritäten lägen woanders.
Um Chancen für neue Angebote im analogen Fernsehmarkt zu schaffen, möchte Kröhne allerdings vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender beschränken. Sie, so die eher absurde Forderung, müssten wie die Programmfamilien von Kirch und Bertelsmann behandelt und dem Marktanteilsmodell unterworfen werden, das den Sendern eines Konzerns zur Sicherung der Meinungsvielfalt maximal 30 Prozent des Zuschauermarkts zubilligt. Rechne man alle Angebote von ARD und ZDF inklusive arte, KiKa und Co. zusammen, so Kröhnes Arithmetik, wäre diese Marke weit überschritten. Auch im digitalen Bereich sollen Beschränkungen her, schließlich, so Kröhne mit Blick auf die neuen öffentlich-rechtlichen Theater- und Doku-Kanäle, könne nicht „jede Programmidee eines Intendanten mit einem eigenen Sender und Reichweite belohnt werden“.
Genau in dieser Verspartung sehen andere private Anbieter auch neben den bestehenden Sendern ihre Chance: b.tv, der baden-württembergische Regionalsender, setzt sogar noch ganz auf die klassisch-analoge Verbreitung: Zwar hat ihm die ARD verboten, sich weiterhin als „Erstes privates Drittes“ zu bezeichnen – Konzept ist jedoch genau das. Bis Ende 2000, so b.tv-Chef Bernd Schuhmacher, will sein Sender in allen Kabelnetzen des Ländles sein, sieben terrestrische Frequenzen versorgen Ballungsräume auch über Antenne, und als einziger regionaler Sender neben den öffentlich-rechtlichen Dritten ist b.tv auch über Satellit zu empfanden.
Auf den digitalen Kuchen, der einfach deutlich größer wird und so neuen Anbietern Platz bietet, setzen dagegen Anbieter wie Fox Kids, das kürzlich bei Premiere gestartete Kinderfernsehen, und die H5B5 Media AG, die spätestens 2002 einen eigenen Doku-Kanal auf Sendung haben will. Fox-Kids-Geschäftsführer Christoph Erbes reichen auch die heute schon abfallenden Krümel. „Diese Entwicklung ist ganz normal‘“, so Erbes, überall hätten sich ein bis drei Anbieter das Free-TV untereinander aufgeteilt – bei deutlich kleinerem Programmangebot. „Nur Deutschland sitzt als isolierter Markt da, der fast 40 Sender hat und überlegt, wie es noch mehr bekommt.“
Die Zukunft liegt also in der Sparte, und wie klein TV-Krümel werden können, macht die Kirch-Gruppe vor: Ihr BetaBusiness TV hat gerade einen Infotainment-Kanal gestartet. Zielgruppe: Deutschlands 6.000 Kardiologen und andere Fachärzte.
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