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Aus Ölquellen sprudeln Milliarden

Ein Mineralölkonzern nach dem anderen meldet Rekordergebnisse. Bei BP Amoco verdoppelte sich der Gewinn im dritten Quartal 2000. Grund: die gestiegenen Ölpreise. In Großbritannien kündigen Spediteure und Bauern erneut Proteste an

von NICK REIMER

Ölkonzern zu sein macht im Moment richtig Spaß. Nicht nur, dass sich das „Verkaufsprodukt“ reißender Nachfrage erfreut. Es wird auch kräftig Geld verdient. Stellvertretend für die Branche jubilierte am Montag Olav Fjell, Chef des norwegischen Konzerns Statoil: Man habe im letzten Dreivierteljahr „das beste Ergebnis der Konzerngeschichte eingefahren“.

Nichts Besonderes dieser Tage: Wann immer Mineralölkonzerne Viertel-, Halb- oder Dreivierteljahreszahlen vorlegen, sind sie blendend. In der letzten Woche vermeldete die niederländisch-britische Royal Dutch Shell 80 Prozent Gewinnzuwachs – auf umgerechnet 7,37 Milliarden Mark. Am Montag folgte Statoil mit einem 150-prozentigen Ertragszuwachs auf jetzt 6,2 Milliarden Mark.

Gestern hatte BP Amoco Grund zur Freude: Der Ölkonzern hat im dritten Quartal dieses Jahres seinen Gewinn knapp verdoppelt. Wie es gestern aus London hieß, stieg der Gewinn auf umgerechnet rund 8,6 Milliarden Mark. BP-Chef Sir John Brown sagte, das Ergebnis beruhe nicht nur auf einem starken Handel, sondern auch auf einer verbesserten Leistung der Firma. Die Gewinnzahlen von Shell und BP haben in der britischen Öffentlichkeit für Zorn gesorgt, denn die Treibstoffpreise sind im Vergleich zum letzten Jahr nach wie vor hoch. Die Spediteure haben erneut Proteste angekündigt.

Kostensenkungspläne, Expansion oder Outsourcing – natürlich nutzten die Konzernchefs die Gelegenheit, die Ergebnisse mit ihrer Firmenpolitik zu interpretieren. Der Erfolg derart faszinierender Wirtschaftsergebnisse hat aber einen anderen Vater: den hohen Rohölpreis. Durchschnittlich kostete im dritten Quartal der Barrel 31,63 Dollar – etwa zehn Dollar mehr als in der zweiten Hälfte des letzten Jahres und dreimal so viel wie Anfang 1999. Das bedeutet: Mit nahezu dem gleichen Aufwand wie vor Jahresfrist lassen sich 10 oder 20 Dollar mehr verdienen. Denn für die Förderrechte, die die Ölkonzerne erworben haben, müssen sie trotz der gestiegenen Ölpreise nicht mehr bezahlen. Die Gewinne haben sich in den USA noch fetter entwickelt. Dort wird direkt in starken Dollar bezahlt, in der Eurozone schwächt der Kursverlust des Euro den Gewinn. Exxon Mobil, dem amerikanischen Branchenführer, reichten drei Monate, um das Betriebsergebnis zu verdoppeln. Chevron, die Nummer zwei auf dem US-Markt, legte einen um 135 Prozent gestiegenen Gewinn vor, der drittgrößte US-Konzern Texaco fast schon bescheiden anmutende 80 Prozent. In Zahlen ausgedrückt: Der Gewinn von Exxon erreichte den Rekord von umgerechnet fast zehn Milliarden Mark, für Texaco bedeutete der Gewinn von etwa 1,6 Milliarden Mark eine neue Bestmarke.

Die komfortable Situation nutzt die Branche zur weiteren Expansion. Am Montag wurde eine Offerte des amerikanischen Mineralölkonzerns Amerada Hess bekannt, der den zweitgrößten britischen Ölförderer Lasmo Plc übernehmen will. Amerada Hess hat in diesem Jahr bislang etwa 1,35 Milliarden Dollar verdient – nicht erwähnenswert, dass es sich um einen Rekordgewinn handelt. Mitte Oktober besiegelten Chevron und Texaco ihre Allianz. Gemessen an der Fördermenge bilden sie den weltweit viertgrößten Ölkonzern. Jetzt spekulieren Analysten, dass TotalFinaElf den italienischen Konkurrenten ENI übernehmen wird, um den vierten Marktplatz zurückzuerobern.

Des Ölkonzerns Freud ist des Tankstellenpächters Leid: Nach Branchenangaben liefen allein bei den deutschen Tankstellen im Jahresverlauf ein Verlust von über eine Milliarde Mark auf. Als Grund nannte der deutsche Mineralölwirtschaftsverband (MWV) den verschärften Wettbewerb. Der nämlich verhindere, dass die Tankstellen kostendeckende Preise erzielen können.

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