: Der Mai ist gegangen
Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai schmeißt hin. Nach dem mageren Abstimmungsergebnis von Leipzig ist Ver.di für ihn „nicht mehr machbar“
Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai ist zurückgetreten. Nach dem schlechten Abstimmungsergebnis für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di auf dem ÖTV-Gewerkschaftstag in Leipzig sagte Mai, er werde bei der anstehenden Wahl zum Vorsitz nicht mehr kandidieren. Er übernehme damit die „politische Verantwortung“ dafür, dass das Projekt Ver.di für ihn „nicht mehr machbar“ sei. Ein Festhalten am Gewerkschaftsvorsitz sei für ihn „mit der eigenen Glaubwürdigkeit“ nicht mehr vereinbar.
Ein Nachfolger füe Herbert Mai war gestern nachmittag noch nicht in Sicht. Die Wahlen zum Vorsitzenden und des Vorstands wurden auf den heutigen Tag verschoben.
Von den 533 Delegierten auf dem Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr hatten am Dienstag nur 65 Prozent für eine Fortsetzung des Verschmelzungsprozesses zu Ver.di gestimmt.
Gegner der Verschmelzung wie der Vorsitzende des ÖTV-Bezirks Nordrhein-Westfalen II, Harald Limbeck, hatten kritisiert, dass die ÖTV-Mitglieder in der neuen Gewerkschaftsstruktur schlechter betreut würden als bisher. Durch die Verschmelzung mit vier anderen Gewerkschaften würden Kreisverbände zusammengelegt und Zuständigkeiten neu definiert. Funktionäre befürchten dadurch an Macht zu verlieren.
Schon länger hatten sich innerhalb der ÖTV Widerstände gegen die Verschmelzung zu Ver.di gezeigt. Unter den beteiligten Gewerkschaften war daher eine Auffanglösung im Gespräch. Unter dem Stichwort „4 plus 1“ sollten die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Postgewerkschaft und IG Medien den Fusionsprozess zunächst allein fortsetzen. Die ÖTV sollte zu einem späteren Zeitpunkt beitreten können. Ob dies weiter Bestand haben würde, war gestern unklar. Erwogen wurde auch, den Gründungstermin von Ver.di zu verschieben.
Mit dem Abtritt von Mai und dem Streit um Ver.di steht die ÖTV vor einer Zerreißprobe. Mehrere Mitglieder hatten bereits mit Spaltung gedroht, falls die Gewerkschaft nicht der Verschmelzung zu Verdi zustimme. Die Hamburger ÖTV erklärte, sie wolle im Fall einer Ablehnung der Gesamtorganisation alleine den Weg zu Ver.di weitergehen. Der Betriebsratschef der Lufthansa-Technik in Hamburg, Manfred Calsow, kündigte an, man wolle sich dann von der ÖTV lösen und Ver.di nach deren Gründung 2001 beitreten. Machen das andere Betriebsräte nach, könnte dieÖTV „langsam ausbluten“, wird in Gewerkschaftskreisen befürchtet.
Die 1949 gegründete ÖTV hatte bisher vier Vorsitzende. Der 53-jährige Herbert Mai wollte den Mitgliederschwund vor allem mit einer dezentralen Tarifpolitik und neuen Formen der Arbeitszeitgestaltung stoppen. 1997 erteilte ihm die Große Tarifkommission der ÖTV eine Abfuhr, als sie seinen Vorstoß zum Lohnverzicht bei kürzerer Arbeitszeit ablehnte.
Auch in diesem Jahr geriet Mai in die Kritik. Er hatte das magere Ergebnis der Schlichtung im öffentlichen Dienst erst befürwortet, die Tarifkommissionen aber lehnten das Ergebnis ab. Die Basis entschied sich in einer Urabstimmung für einen Streik. Im letzten Moment einigten sich die Tarifpartner auf ein neues Ergebnis, das sich im Endeffekt aber kaum vom ersten Vorschlag unterschied. TAZ/RTR/AP
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