: Land unter internationaler Hoheit
Seit fünf Jahren wird Bosnien-Herzegowina von einem „Hohen Repräsentanten“ regiert. Die Bilanz fällt gemischt aus
SARAJEVO taz ■ Das Abkommen von Dayton hat Bosnien und Herzegowina 1995 in zwei Teile gespalten, in die Republika Srpska und die bosniakisch-kroatische Föderation. Versprochen jedoch war in dem Dokument auch, dass Bosnien und Herzegowina weiterhin als Gesamtstaat existieren würden, dass die Flüchtlinge und Vertriebenen zurückkehren dürften, dass das Land über die gemeinsamen Institutionen wieder zusammenwachsen würde.
Das Versprechen, nach dem Krieg Bosnien als einen gemeinsamen Staat aller wieder erstehen zu lassen, war für den damaligen Präsidenten Alija Izetbegović, gleichzeitig der Repräsentant der Bosniaken (Muslime) in Dayton, der ausschlaggebende Grund, den Friedensvertrag zu unterzeichnen. Die serbische Seite, vertreten durch Slobodan Milošević, erhoffte sich, dass die Republika Srpska als eigenständiger Staat bestehen und sich schließlich mit Serbien vereinigen könnte. Folgerichtig wehrten sich alle Regierungen der RS, die Vertriebenen und Flüchtlinge in die 1992 „ethnisch geäuberten“ Gebiete zurückkehren zu lassen. Auch die Nationalisten der anderen Seiten wollten Flüchtlingen der jeweils anderen Volksgruppe die Rückkehr nicht gestatten.
Dem musste die internationale Gemeinschaft entgegenwirken. Mit dem Aufbau des Office of High Representative, des Hohen Repräsentanten (OHR) – zur Zeit Wolfgang Petritsch – wurde die zivile Implementierung des Abkommens von Dayton vorangetrieben. Das individuelle Recht auf Rückkehr wurde seither betont. In zähen Verhandlungen wurden Zugeständnisse erreicht, um ein gemeinsames Leben der Menschen wieder möglich zu machen. Die größten Erfolge waren bisher: Sicherung des Friedens, Durchsetzung der Bewegungsfreiheit – alle Bürger können in alle Teile Bosniens und Herzegowinas fahren –, Einführung einer gemeinsame Währung (Konvertible Mark) und eines gemeinsamen Passes. Es wurde 1999 durchgesetzt, dass alle ihr ursprüngliches Eigentum zurückerhalten.
Damit konnte ein Anstoß für die Rückkehr gegeben werden, mehrere zehntausend Vertriebene haben seither den Schritt gewagt. Negativ bleibt, dass die meisten mutmaßlichen Kriegsverbrecher nicht verhaftet sind, dass die nationalistischen Parteien mit allen Mitteln ihre Machtpositionen verteidigen, dass folgerichtig Anstrengungen für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik bislang gescheitert sind.
Petritsch hat unbotmäßige extremistische Politiker abgesetzt, die eklatant gegen das Abkommen von Dayton verstießen. Angesichts der Blockade, das Abkommen umzusetzen, fordern jedoch immer mehr Menschen, das Abkommen zu revidieren und die Entitäten aufzulösen. Um dies durchzusetzen, sollte die internationale Gemeinschaft ein Protektorat errichten, forderten beispielsweise nicht nationalistische Intellektuelle aus allen Volksgruppen vor wenigen Monaten. Petritsch will diese Verantwortung nicht übernehmen. Er appellierte an alle Bürger, bei den Wahlen die „richtige“ Entscheidung zu treffen und die nicht nationalistischen Parteien zu wählen. Dann könnten alle Probleme durch demokratische Prozeduren auf der Grundlage des Abkommens von Dayton gelöst werden. ERICH RATHFELDER
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