piwik no script img

Zweiter im Schneckenrennen

Nach dem 2:3 bei Schalke wissen die Bayern nicht, welche der Erklärungen für ihr Schwächeln sie zur aktuell Zutreffenden küren sollen. Zur Auswahl stehen Doppel-Belastung und Doppel-Motivation

aus Schalke KATRIN WEBER-KLÜVER

Das ist eine ziemlich ungewohnte Situation für den FC Bayern München. Zwölf Partien sind in dieser Saison gespielt und für den Meister steckte in jeder dritten eine Niederlage. Nach Stuttgart, Rostock, Cottbus nun in Gelsenkirchen. Und das 2:3 beim FC Schalke 04 war gleich noch ein besonderer Tiefpunkt. Eifrige Statistiker wissen zu berichten, es sei das erste Mal seit 91 Spielen, dass Bayern mehr als zwei Gegentore kassiert habe. Wenn das so weiter geht, ja, dann „könne wir die Meisterschaft schon abhaken“, sinnierte Giovane Elber selten sauer. Und schimpfte am Fuße der Rolltreppe, die im Gelsenkirchener Parkstadion die Spieler vom Kabinentrakt herab zum Rasen und zurück befördert: „Mit so einer Einstellung gewinnt man nicht.“

Das Problem der Bayern war eine gewisse Trägheit nicht nur auf dem Weg zum Platz, sondern auch darauf. „Wir haben uns zu passiv verhalten“, analysierte Trainer Ottmar Hitzfeld. Dass Bayern gar eine zweimalige Führung verspielt hatte, „ärgert mich gewaltig“.

Dabei hatte alles erwartungsgemäß begonnen. Kühl spielten die Gäste in der ersten, äußerst zähen Halbzeit, in der Elbers 0:1 den fast einsamen Höhepunkt markierte. Und in der zweiten Halbzeit ging für die Bayern merkwürdigerweise fast nichts mehr.

Warum? Oliver Kahn rekurrierte wie üblich auf die Doppelbelastung der Mannschaft und grummelte, es sei eben falsch „zu glauben, man könne sich auf die Champions League konzentrieren.“ Wie immer verwies der Torwart zudem darauf, dass Bayerns nationale Gegner, egal ob Magdeburg oder Schalke, immer „doppelt motiviert“ seien.

Bei Andreas Möller war der Ansporn vermutlich noch um ein vielfaches größer. Er hatte bereits über 1.000 Spielminuten ohne Torerfolg hinter sich, als er in der 58. Minute zwischen Sagnol und Jeremies hindurchspurtete, um seinen ersten königsblauen Treffer zu erzielen. Später sagte er: „Ich bin froh, dass der Knoten geplatzt ist.“ Und: „Natürlich muss es so weiter gehen.“ Im Spiel ging erst einmal und postwendend wieder Bayern durch ein Tor von Sergio in Führung. Da hätte man meinen können, nun werde Bayern beruhigt und Schalke sehr frustriert sein. Aber es war nicht so. „Doppelt bitter“, jammerte Kahn, hatte aber auch einen Erklärungsansatz für den Leistungsabfall parat: „Wir haben gedacht, wir können das Spiel hier über die Bühne schaukeln, das war ein Trugschluss.“

Und was für einer. „Ich glaube immer an die Mannschaft“, sagte Schalkes Kapitän Thomasz Waldoch, aber: „Dass wir noch zwei Tore gemacht haben, war sensationell.“ Wie sie sie machten nicht weniger. „Wir haben unglaublich viel gekämpft“, konstatierte Ebbe Sand.

Da lobte sogar der Trainer Huub Stevens: „Bravo! Für das Charakter, das die Jungs gezeigt haben!“ Auch Hitzfeld anerkannte den „großartigen Sieg in einem herausragenden Spiel“ der Gastgeber. Mehr noch dürften ihn die Aussetzer seiner Spieler bewegt haben. Mpenza hatte bei seinen beiden Torvorlagen keine Probleme mit Sagnol respektive Andersson gehabt, bei beiden Treffern sahen Sforza respektive Jeremies den Torschützen im Zentrum aus gebührendem Abstand zu.

Also ein Abwehrproblem? „Wir verlieren zusammen“, sagte Stefan Effenberg nach seiner Bundesligapremiere knapp. Tatsächlich hatten Mittelfeld und Angriff in der zweiten Halbzeit kaum etwas zur Entlastung beigetragen. Vergeblich war auch die Einwechslung von Jancker, Zickler und Santa Cruz. Von dem Stürmertrio ließ sich ebenso wie von Effenberg sagen: Sie richteten keinen großen Schaden an.

Effenberg ist nun ein wenig besorgt: „Vier Niederlagen in der Hinrunde sind zu viel.“ Zumal diese Hinrunde ja noch lange nicht zu Ende ist. Hitzfeld aber fordert „Geduld“, um die Reintegration der langzeitverletzten Leistungsträger Effenberg und Jeremies voranzubringen. Der Trainer hofft: „In der Rückrunde werden wir stärker sein.“

Richtig besorgniserregend ist das Schwächeln des Meisters ohnehin nicht bei dem Schneckenrennen, das seit Wochen um die Bundesligaspitze ausgetragen wird. Was auch Effenberg weiß: „Unser Glück ist, dass sich die anderen Mannschaften nicht absetzen können.“

FC Schalke 04: Reck - Hajto, Waldoch, van Kerckhoven - Latal (54. Asamoah), van Hoogdalem, Nemec, Büskens - Möller - Sand, Mpenza Bayern: Kahn - Sagnol, Andersson, Sforza, Tarnat - Salihamidzic (73. Zickler), Jeremies, Effenberg, Scholl (73. Jancker) - Elber (85. Santa Cruz), SergioZuschauer: 62.109 (ausverkauft) Tore: 0:1 Elber (34.), 1:1 Möller (58.), 1:2 Sergio (59.), 2:2 Asamoah (68.), 3:2 Sand (71.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen