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Mütze voll Spaß

Dezente: Kapitalismuskritik in Konwitschnys „Mahagonny“-Inszenierung  ■ Von Dagmar Penzlin

Nichts ist unmöglich in Mahagonny; die Parole lautet: „Du darfst“. Ob Sex, Alkohol oder andere Vergnügungen: Jeder darf hier alles, so lange er bezahlen kann. Keine Frage, unsere heutige Spaßgesellschaft funktioniert nach den gleichen Gesetzen, wie sie Bertolt Brecht und Kurt Weill 1930 in ihrer Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny demaskierten. Dass diese Kapitalismuskritik auch ohne erhobenen Zeigefinger und Verfremdungseffekt auskommen kann, beweist die dichte Neuinszenierung von Peter Konwitschny an der Staatsoper. Es geht also um unsere Gegenwart und unseren unermüdlichen Willen zum Spaß. Daran lässt der Regisseur keinen Zweifel. So ergänzt er etwa die Brechtsche „Du darfst“-Parole durch das noch zeitgemäßere Motto „Viel Spaß“.

Gleich zu Beginn der Oper schreibt die Witwe Leokadja Begbick (expressiv: Mechthild Gessendorf) die zwei Worte mit Kreide auf ein Schild, als sie und ihre Gangsterkollegen beschlossen haben, in der Wüste die Stadt Mahagonny zu errichten. Sie wollen hier Goldgräbern und anderen Männern das Geld aus der Tasche ziehen. So richtig in Fahrt kommt das Geschäft aber erst, als im zweiten Akt wirklich alles erlaubt ist.

Die vergnügungsgeilen Mahagonny-Besucher kommen bei Konwitschny als Durchschnittsurlauber daher: Sie tragen Shorts und Hawaihemden, die Füße stecken in Socken und Sandalen, und auf dem Kopf prangt der quietschgelbe Strohhut mit „Viel Spaß“-Schriftzug. Gierig wedeln diese Männer mit ihren Geldscheinen, während sie sich ungeduldig um die drei kleinen rosafarbenen Bordellhäschen drängen.

Aus der uniformierten Horde ragt Paul Ackermann heraus, nicht nur, weil er weiterhin seine Holzfäller-Kluft trägt: Er ist kein Geldfetischist, sondern eher ein Anarchist. Und nur aus diesem Grund hat er angeregt, alle Verbote abzuschaffen. Als er selbst kein Geld mehr hat, um seine Zeche zu zahlen, wird er hingerichtet, weil Geldmangel in Mahagonny das größte Verbrechen ist.

Albert Bonnema überzeugt als Querdenker Paul, auch wenn sein Tenor am Premierenabend teils recht angestrengt klang. Überhaupt begeisterte das Solistenensemble mehr darstellerisch als stimmlich – mit Ausnahme der überragenden Inga Nielsen als Jenny. Wie die Sopranistin etwa den Song „Moon of Alabama“ mit lasziv gedehnter, vibratofreier Stimmgebung gestaltet, ist schlicht sensationell.

Die bissige und zugleich überraschend leichtfüßige Inszenierung Konwitschnys gewinnt zusätzliche Schärfe durch das spannungsgeladene Dirigat Ingo Metzmachers. Er weiß die verschiedenen Stilebenen der Partitur klar gegeneinander abzugrenzen. Im zweiten und dritten Akt mischen Hamburgs Generalmusikdirektor und sein Orchester sogar mit beim grellen Treiben auf der Bühne. So umrundet Metzmacher als Tambourmajor im Brokatjackett den Boxkampf und trifft ganz den Ton jahrmarkthafter Überdrehtheit. Die Neuproduktion der Weill-Oper kennt aber auch die stillen Momente echter Gefühle – etwa, wenn Paul voller Todesangst auf seine Hinrichtung wartet. Ebenso gelingt es Inga Nielsens Jenny am Ende des zweiten Aktes eindrucksvoll, die Verzweiflung hinter dem Refrain ihres Songs spürbar zu machen: „Denn wie man sich bettet, so liegt man, es deckt einen keiner da zu, und wenn einer tritt, dann bin ich es, und wird einer getreten, dann bist du's.“ Dieses Credo einer egomanischen, geldfixierten Gesellschaft hat nichts an Gültigkeit verloren. Leider.

Weitere Vorstellungen: heute, 16., 18., 26. November, 2. Dezember, alle 19. 30 Uhr, Staatsoper

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