: Monday, monday
Der Held der Arbeit auf dem Acker der Komik im glamourfreien Segment der Weltliteratur-CD: Wolfgang Bortliks zweiter Roman „Halbe Hosen“
von JAMAL TUSCHICK
Wolfgang Bortliks erster Roman „Wurst & Spiele“ fing das Leserinteresse mit der Fliegenfalle eines kurios-furiosen Anfangs. Mit monumentalem Eifer kalauerte sich der zwei Meter große Hausmann (laut Selbstauskunft) aus Basel im weiteren Verlauf der Handlung durch Kernsätze der Kapitalismuskritik.
Die Bedingungen des Marktes beschäftigen Bortlik auch in seinem zweiten Roman. „Halbe Hosen“ erzählt nicht zuletzt von dem Geschäft, das darin besteht, Weltliteratur auf CDs zu pressen. Ein Herbert „Hildy“ Hildebrandt aus „Wichtigstadt“, der sich mit dem Leibhaftigen gern verwechseln ließe, verfällt darauf, in diesem glamourfreien Segment mitzumischen. In besseren Tagen war er Produzent einer Schweizrockband mit Erfolgsausschlägen bis in die Hitparade. Nun ist er so weit auf den Hund gekommen, dass er sich mit einem „King an den Buchstaben-Turntables“ einlassen möchte, der als DJ Word auftritt und Eichblattsalat tatsächlich für einen kulinarischen Höhepunkt hält. Weil seine Absichten von Kenntnissen unbelastet sind, arrangiert sich Hildebrandt mit Richard „Dickie“ Tarrach, einem professionellen Sprücheklopfer und begabten Hypochonder: „Klar hatte er Krebs, die Frage war nur: wo?“
Seine von Schreibhemmungen reduzierte, von skrupelloser Abschreiberei so eben noch in Gang gehaltene Zeilenschinderei ernährt Dickie nicht. Er lässt sich von der resoluten Katharina aushalten. Die „Zarin“ fördert seine Regression, der Himmel weiß warum. Dumm ist Dickie nicht. Immerhin kennt er die Phrase des Jahrhunderts: „Ich möchte etwas für mich machen.“ Seine Indolenz verträgt Realismus. So hat er aufgehört, darauf zu hoffen, dass „Ruhm und Ehre, Sex und Freibier“ ihm zufallen könnten. Er weiß selbstredend eine Antwort auf die Frage, was sexueller Erlösungskitsch ist. Sexueller Erlösungskitsch ist, wenn man „die Tod- und Verzweiflungs-Koketterie schuldbeladen wegbumst“.
Die personellen Konstellationen entwickelt Bortlik auf einer Folie, unter der, in Umrissen, der Schweizer Kulturbetrieb aufscheint, unter Berücksichtigung der Verhältnisse beim größeren Nachbarn. Wie auch gewisser Abzweigungen, die in allgemeinen Betrachtungen zu Stadt- und Landflucht, Nabel-Piercing, mobiles Telefonieren und Neonazismus münden. Vermutlich sollen wir hinter Verballhornungen von Eigennamen Personen ausmachen, die tatsächlich als Verwalter und Verwerter von Literatur in Erscheinung treten. Das ist ein Spiel, auf das man sich nicht einlassen muss, um an der Lektüre Freude zu haben.
Der Schauplatz des Romans, ein größeres CH-Kaff namens Badenwerder, wird auch von – im Verhältnis zum Literaturbetrieb – randständigen Figuren bevölkert. Dazu zählt Kommissar Laumanne, dem Bortlik seine bereits in „Wurst & Spiele“ preisgegebene Leidenschaft für Fußball (von der Bundesliga bis zur Kreisklasse A) untergejubelt hat, in der besonders infamen Variante des Fußballsammelbildfetischismus. Laumanne verkehrt mit „Tatort“-Kollegen. Er hatte entscheidende Prägungserlebnisse in der Ära des Gitarrenrock und des melodischen Gesangs. Im Hinblick auf Bortliks Rock-’n’-Roll-Versessenheit (auch dies eine Erkenntnis aus „Wurst & Spiele“) gleicht Laumannes einschlägiger Zitatenschatz – „Monday, monday“ – einer zurückgestutzten Eisbergspitze.
Wenn Bortlik nicht ständig witzig sein wollte, wäre „Halbe Hosen“ bestimmt noch unterhaltsamer. Der Autor ist sich nicht zu schade für eine sprachliche Zuckerbäckerei, in der ein rustikaler Duktus mit Spitzenformulierungen, die der Jetztzeit den Puls messen, zum Paarlauf verdonnert wird. Grundsätzlich geht das gut, nur manchmal entgleitet diesem Arbeiter auf dem Acker der Komik das richtige Werkzeug, um dem Eindruck wirklich Gelegenheit zur Verfestigung zu geben, hier wühle einer mit bloßen Händen nach dem Scherz in jeder Furche; gerade so, als habe eine Diktatur ihn dazu verdonnert. Mit Zarin Katharina möchte man dann dem Autor raten: „Mach keine schlechten Witze.“
Wolfgang Bortlik: „Halbe Hosen“.Nautilus Verlag, Hamburg 2000,190 Seiten, 36 DM
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