: Grüne fuchteln mit der Faust
Beim Rentenstreit loten die Grünen ihren Handlungsspielraum in der Koalition aus. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sieht die Diskussion gelassen: An den Eckpunkten will die SPD nicht rütteln. Einstieg in Privatvorsorge 2001 aber möglich
von SEVERIN WEILAND und PATRIK SCHWARZ
Franz Müntefering hatte eine ironische Wendung für den jüngsten Koalitionskrach parat. „Ich hoffe, die kriegen sich wieder ein“, kommentierte der SPD-Generalsekretär gestern den Vorstoß der Grünen in der Rentenfrage. Müntefering warnte die Grünen, sich in der Regierung auf Kosten des Partners zu profilieren. Deren Parteisprecher Fritz Kuhn hatte dem Spiegel gesagt, man müsse bei der Bundestagwahl 2002 acht, „besser neun Prozent auf dem Konto haben, das muss fetzen“.
Der seit einigen Tagen gärende Konflikt sollte gestern Abend in einem Gespräch zwischen Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Arbeitsminister Walter Riester (SPD) ausgeräumt werden. Heute wollen Gerhard Schröder, Joschka Fischer und die Koalitionsspitzen in großer Runde noch offene Fragen klären. Im Kern geht es um zwei Punkte: Soll die Rentenreform, wie von Riester und Finanzminister Hans Eichel vereinbart, auf 2002 verschoben werden? Und wie viele Mittel wird das Gesundheitsministerium bei der Finanzierung der Invalidenrente jährlich tragen – 400 Millionen, wie von Riester veranschlagt, oder eine Milliarde, wie die Grünen herausgefunden haben wollen? An den Eckwerten der Rentenreform werde nicht gerüttelt, betonte Müntefering gestern. Lediglich in „technischen Details“ seien „Anpassungen“ möglich. Etwa, ob der Aufbau der privaten Vorsorge erst 2002 oder doch schon nächstes Jahr beginne. Die grüne Forderung, die Rentenanpassungsformel (mit der die Renten langsamer als bisher steigen) von 2003 auf 2002 vorzuziehen, umschiffte Müntefering. „Das sehe ich nicht“.
Grünen-Chefin Renate Künast machte nach der Sitzung des Parteirats deutlich, dass dem Gesundheitsministerium Kosten aus der Invalidenrente nicht völlig erspart blieben. Sie warb für einen Kompromiss: „Die Bundesregierung hat sich ein Modernisierungsimage erarbeitet“, und das müsse sie sich erhalten. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei ein gemeinsames Ziel. Die Diskussion habe nichts mit dem Bemühen der Grünen um ein eigenständiges Profil zu tun.
„Wir wollen in allen Bereichen Kompromisse finden“, sagte auch Fraktionschefin Kerstin Müller. Eine Einigung sei bereits bei dem Treffen der Fraktionsspitzen mit Arbeitsminister Riester (SPD) und Gesundheitsministerin Fischer (Grüne) am Montagabend möglich, also noch vor der Sitzung des so genannten Koalitionsausschusses am Dienstagabend. Auch Rezzo Schlauch sprang seiner Kollegin Fischer bei: Die Grünen wollten dafür sorgen, „dass der Aktionsradius der Gesundheitsministerin erhalten bleibt“.
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