Ruuuuudi zeigt’s dänen

Warum Bundestrainer Völler und seine Mannen vor den Dänen keine Angst mehr haben und sie heute anlässlich eines Freundschaftsspiels pflichtschuldigst am Rudi-Mythos weiterstricken möchten

aus Kopenhagen MATTI LIESKE

Wohl selten zuvor kam ein Länderspiel so gelegen wie das heutige in Kopenhagen gegen Dänemark (19.15 Uhr). Zumindest, was den Deutschen Fußball-Bund, seine hochberühmte Task Force und den Teamchef betrifft. Das letzte Match der Nationalmannschaft in ihrem unheilvollsten Jahr seit 1936, als man bei den Olympischen Spielen in Berlin gegen Norwegen ausschied, ist sozusagen das Siegel unter dem neuen Pakt, der dem deutschen Fußball wieder zu alter Größe verhelfen soll. Gleichsam die Einfahrt in einen ruhigen, beschaulichen See nach all den Stromschnellen und Turbulenzen der letzten Wochen.

Heute Abend darf Rudi Völler, nachdem er sein anderes Feld in Leverkusen glücklich bestellt hat und das Bayer-Team einer Art Karnevalsverein mit Berti Vogts und Pierre Littbarski, Toni Schumacher und Wolfgang Rolff übergeben hat, endlich wieder das sein, was er am liebsten ist: Teamchef der Nationalmannschaft. Diese Präferenz des 40-Jährigen hatte sich in den Tagen nach dem Daum-Debakel mit aller Macht Bahn gebrochen, auch wenn der Heilsbringer 2000 das aus lauter Loyalität zu Bayer Leverkusen nie so deutlich kund tat. Doch wenn er anhob, von der Nationalmannschaft zu sprechen, verrieten ihn seine Augen, die anfingen zu blitzen wie einst, wenn sich Bernd Schuster anschickte, einen Eckball auf seine Stirn zu zirkeln.

Sprach er von Bayer, wurden die Pupillen eher zu schwarzen Löchern der Verzweiflung. Die Arbeitsweise in der Nationalmannschaft liege ihm „als Mensch und Typ“ viel mehr, frohlockt er nun ganz öffentlich, denn da könne man zwischen den Spielen auch einmal „durchatmen“. Ein besonders langer Atemzug liegt nach dem Dänemark-Spiel vor ihm, schließlich ist die nächste Partie gegen Frankreich erst im Februar.

Der Völler-Blues

Dass er in der Zwischenzeit dem ausgeklügelten Doppelbeschluss von DFB und Bayer zufolge wieder als Sportdirektor in Leverkusen wirken soll, dürfte ihn wenig jucken. Noch ein paar Assistenztrainer ranschaffen, dann zwecks Bewältigung des zu erwartenden Post-Völler-Blues einen versierten Ausredenschreiber und erfahrenen Verschwörungstheoretiker verpflichten – und die Sache ist geritzt. Heute geht es für Rudi Völler vorrangig darum, seinen makellosen Rekord auf der Bank ins nächste Jahr zu retten und einen Rückschlag zu unpassender Zeit zu vermeiden.

Ein 0:4 in seinem ersten Match als Dauer-Teamchef – das wäre peinlich. Wie sehr die Spieler inzwischen an ihren unschlagbaren Leitstern glauben, zeigt Torwart Oliver Kahns Auskunft, dass es „um alles“ gehe, „auch wenn es ein Testspiel ist und der Gegner Dänemark heißt“. Wäre die Mannschaft bei der EM den Dänen begegnet, hätten ihr die Knie geschlottert, jetzt sind die nördlichen Nachbarn schon wieder eine „Auch-wenn“-Mannschaft.

Die Dänen stecken in einer ähnlichen Situation wie die Deutschen. Sie bauen ebenfalls auf den gleichen Kader, der eine enttäuschende EM hingelegt hatte, haben jedoch auch den Trainerstab ausgewechselt. Anders als Völler und Skibbe war Morten Olsen und Michael Laudrup mit einem Sieg und zwei Unentschieden kein optimaler Start in die WM-Qualifikation für 2002 beschieden. Eine überzeugende Leistung gegen die Deutschen könnte aufkeimende Kritiken am Trainer-Duo schlagartig verstummen lassen. Rudi Völler wiederum hat gleich nach Überwindung seines ebenso leidigen wie entlastenden Interims-Status mit mannigfaltigen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Ein Haufen Fußlahmer

Die einzigen Akteure, die voller Begeisterung nach Kopenhagen gereist sind, dürften die Leverkusener Nowotny, Ramelow, Ballack und Neuville sein, denen auf diese Weise noch ein paar Tage Berti erspart bleiben. Dazu gesellt sich ein Haufen fußlahmer Bayern, die ihre Ausrede für schlechte Leistungen seit Wochen auf dem Silbertablett vor sich her schleppen. Diese vielen schrecklichen Spiele, diese fürchterlichen Reisestrapazen, und nun auch noch Dänemark, das ja fast schon in Trondheim liegt und wohin man tagelang unterwegs ist. Die Herthaner kommen gar nicht erst, und den Liverpoolern Hamann und Ziege wird beim Anblick ihrer bayerischen Exkollegen blitzartig aufgehen, dass ja auch sie einer Drei- bis Vierfachbelastung ausgesetzt sind und von Rechts wegen total schlapp sein müssten. Und das ausgerechnet gegen die Dänen, von denen man seit 1992 weiß, dass sie sogar in Badeschlappen Europameister werden können. Aber da war ja Rudi verletzt.