: Die vorbildliche Hauptstadt beim Klimaschutz
Berlin kommt bei CO2-Reduktion voran: Gute Ausgangslage, viel Geld für Sanierung und pfiffige Ideen machen das 25-Prozent-Ziel erreichbar
BERLIN taz ■ Nach prima Klima sah es in der Stadt des UN-Klimagipfels von 1995 lange nicht aus: Noch 1996 forderte der Berliner Senat von sich selbst eine „Überprüfung und Neuausrichtung der Energie- und Klimaschutzpolitik“, um eine Reduktion der Treibhausgase zu erreichen. Inzwischen ist man optimistisch: „Wenn alles so weitergeht, schaffen wir die 25 Prozent bis 2010“, sagt der Leiter des Referats für Klimaschutz bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Klaus Müschen. „Bisher liegen wir bei minus 18 Prozent.“ Unter den deutschen Städten liegt Berlin damit vorn. Stuttgart etwa kommt trotz Atomstroms auf 9 Prozent Reduktion, Hannover landet ohne Atom bei plus 24 Prozent. „Bei internationalem Klimaschutz geben wir mit Berlin immer an“, lobt auch Virginia Sonntag-O’Brien vom Umweltbündnis der Städte, ICLEI.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Hauptstadt hat seit der Vereinigung enorme Summen in die Sanierung der Altbauten gesteckt. Seit Beginn der 90er-Jahre wurden pro Jahr etwa 400 Millionen Mark öffentlicher und privater Mittel in die bessere Wärmedämmung von Altbauten investiert, sagt Müschen. Von den 1,7 Millionen Haushalten sind inzwischen 600.000 saniert und verringern so den Ausstoß von Kohlendioxid. Auch hatte Berlin ein großes Sparpotenzial bei maroden Alt- und Plattenbauten, in denen man mit gleichem Aufwand viel mehr CO2 vermeiden kann als im modernen Bestand anderer Städte.
Zweitens war Berlin zu Mauerzeiten auf die eigenen Kraftwerke des Energieversorgers Bewag angewiesen. In diesen wurde relativ früh auf effiziente Kraft-Wärme-Kopplung umgestellt. 1997 ging das Heizkraftwerk Mitte ans Netz, das mit hoch effizienter Gas- und Dampf-Technik den neuen Potsdamer Platz mit relativ sauberer Energie versorgte. Doch die Liberalisierung auf dem Strommarkt sorgt auch in der Hauptstadt dafür, dass die Bewag den Strom zunehmend billig von außen bezieht, statt ihn teurer und effizient in Berlin zu produzieren. Selbst das Öko-Kraftwerk Mitte läuft nur mit einem Bruchteil seiner Kapazität.
Zudem treiben die Energiespezialisten der Umweltverwaltung seit Jahren ein ehrgeiziges Programm voran: Mit „Energiesparpartnerschaften“ wird gleichzeitig Geld und CO2 gespart. Denn auch das notorisch klamme Bundesland Berlin leistet sich Energieausgaben von fast einer halben Milliarde Mark jährlich, bringt aber nicht die Mittel auf, um die eigenen Gebäude zu sanieren. Diesen Teufelskreis haben die Energie- und Geldsparer im Umweltressort durchbrochen: In bisher sechs „Pools“ werden hunderte Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäude zusammengefasst und zur energetischen Sanierung an Private ausgeschrieben. Die Unternehmen investieren in Sparlampen und Wärmedämmung und teilen sich mit dem Land die eingesparten Energiekosten. Die Berliner Idee macht inzwischen etwa in Wiesbaden, Leipzig, Dortmund, Hannover und in den Ländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz Schule.
Auch am Export von klimaschonender Technik hat sich Berlin versucht: „Wir hatten Projekte in Tschechien, Polen und Ungarn, wo wir massiv zur CO2-Reduzierung hätten beitragen können, aber daraus ist nichts geworden“, bedauert Müschen. Private Finanziers waren bisher nicht aufzutreiben – und die Investition deutscher Steuergelder in ausländische Anlagen untersagt die Haushaltsordnung des Landes.
Nicht zuletzt habe zum Klimaschutzmodell in Berlin aber auch der Umbau der Industrie beigetragen, sagt Müschen. Nicht nur die Schließung von alten CO2-Schleudern, sondern auch der Umbau der Industriestruktur ließen inzwischen weit weniger Treibhausgase entweichen.
Größtes Sorgenkind beim Klimaschutz ist auch in Berlin der Verkehr. Anders als in allen anderen Bereichen gibt es hier keine Trendumkehr, sondern im Gegenteil eine Zunahme. Denn im Vergleich zu anderen Großstädten wie Hamburg oder München gilt Berlin als „untermotorisiert“, die Zersiedelung ins Umland mit ihren Verkehrszuwächsen hat gerade erst begonnen. Trotz der Milliarden, die Bund, Bahn und das Land in die Schieneninfrastruktur investiert haben, ist ein Ende der autogerechten Hauptstadt nicht abzusehen.
„Klimaschutz in den Städten ist nicht nur Sache der Städte“, sagt ICLEI-Vertreterin Sonntag-O’Brien. „Sprit sparende Autos und effiziente Haushaltsgeräte müssen vom Bund verordnet werden.“ Die Städte, meint sie, könnten mehr bei der Aufklärung tun. Doch kommunale Klimapolitik stößt auch an gesellschaftliche Grenzen. „Wir haben immer mehr Singles und immer mehr Haushalte in den Städten, was den Energieverbrauch erhöht“, so Sonntag-O’Brien. „Aber man kann den Leuten ja nicht sagen: Lasst Euch nicht scheiden, damit Ihr das Klima nicht belastet.“ BERNHARD PÖTTER
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