: Und ewig lebt der Mittelstand
Bei der Jahrestagung des Zeitschriftenverbands in Berlin redeten Kanzler und Verleger leicht am Thema vorbei
Der Verband der Zeitschriftenverleger (VDZ) hatte geladen, der Kanzler war trotz Ministerrücktritts gekommen, und dann gings hübsch am Thema vorbei. Statt über die Rolle der Medien für den Standort Deutschland sprach Gerhard Schröder lieber zum Mittelstand an sich.
Schließlich hatte eben erst sein Vorredner Hubert Burda auf der VDZ-Jahrestagung in Berlin noch mal betont, außer dem „nur latent anwesenden“ Haus Bertelsmann seien Deutschlands Verleger durchweg Mittelständler, ja zu 80 Prozent sogar Famileinunternhemen. So gab es von Schröder einen kleinen Durchmarsch durch Steuer- und Rentenpolitik, zu Medien nur so viel: Der Tendenzschutz, also das Recht, Mitarbeiter wegen Nichtübereinstimmung mit der inhaltlichen Richtung einer Zeitung zu kündigen, bleibt.
VDZ-Präsident Burda, Herr über ein ansehnlich-familiäres Medienunternehmen von Focus bis Freundin, widmete sich lieber ganz dem Internet: „Die Zeitschriften sind wieder zurück !“ – nach teuren und nur mäßig erfolgreichen Ausflügen in die Fernsehwelt hätten Magazine und Illustrierte jetzt die Chance, sich voll ins Internet zu integrieren und dort neue Communitys aufzubauen.
„Fische anfüttern“
Und da ein Verleger gleichzeitig „Künstler und Kaufmann“ (Burda) ist, geht’s natürlich auch ums Geldverdienen: „Wie müssen den Fisch erst mal anfüttern, bevor wir den Haken reinhängen“ – und mit der heute vorwiegend üblichen Bannerwerbung, meinte Burda, „geht’s nicht“, ihm schwebt eher ein differenziertes Nutzungsmodell vor: Website angucken kostet nichts, Klicken ein bisschen, und wer über das Internet einkauft oder Reisen bucht, zahlt noch mal üppiger dazu.
Wo die Reise am Ende hingeht, hatten zuvor schon fünf Herren auf dem Podium diskutiert: Zu noch größeren Medienhäusern nämlich, verkündete der frisch gebackene ProSieben-Sat.1-Vorstand Claus Larass, ehemals Zeitungschef im Hause Springer. Wobei sich RTL-Chefredakteur Hans Mahr beeilte, allzu große Existenzängste des im Saal versammelten Mittelstands zu zerstreuen: „Es bleibt genug Raum für die Nische“, lautete die halbfrohe Botschaft. Explizit auf Zeitschriften bezog sich die – wie bei deutschen Medienveranstaltungen üblich – von einer Frau (n-tv’s one and only Sandra Maischberger) moderierte Herrenrunde allerdings nicht.
Wer macht Meinung?
Man arbeitete sich lieber an der Frage ab, wer denn nun die Meinungsführerschaft in diesem Land besitze, und widmete sich der Länge und Breite nach dem alten Wettstreit von Tagespresse, Wochenzeitungen und Television. Doch auch hier die ernüchternde Erkenntnis: Die Zeitung sei „nur zu retten, in dem man das Internet umarmt“, meinte der neue Welt-Chefredakteur Wolfram Weimer – daher wird ab kommender Woche auch die bisher noch nicht im Netz verfügbare Welt am Sonntag online sein.STEFFEN GRIMBERG
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