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Angela Merkel drängt die Union zu Studiengebühren

Vom Bildungsparteitag wünscht sich CDU-Chefin Angela Merkel ein klares Bekenntnis für Studiengebühren – und zwingt damit Bildungspolitikerin Annette Schavan auf Linie

BERLIN taz ■ Annette Schavan gilt als eine ungewöhnlich kluge und zugleich prinzipienfeste Politikerin. Der bevorstehende CDU-Parteitag in Stuttgart am Sonntag und Montag hätte eine Messe für Schavan werden können. War sie es doch, die jenes Papier zur Bildungspolitik federführend verfasst hat, mit dem die Partei des Spendenskandals wieder die Meinungsführerschaft auf einem wichtigen Politikfeld erringen wollte. Doch ausgerechnet Annette Schavan selbst hat ihre Prinzipien dem dirigistischen Charme der Parteichefin Angela Merkel geopfert.

Der Leitantrag namens „Aufbruch in eine lernende Gesellschaft“ droht Makulatur zu werden, weil Schavan bei den Studiengebühren einen Zickzackkurs fährt. Noch vorgestern versprach sie in einem Interview, die CDU werde die Einführung allgemeiner Studiengebühren auf dem Parteitag keinesfalls mit der Brechstange durchsetzen.

Kurz danach schrieben CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Generalsekretär Laurenz Meyer aber eben dies in einen Antrag der Parteispitze. Mit am Tisch saß: Annette Schavan. Merkel verfolgt eine harte Linie: Vom Parteitag soll ein klares Bekenntnis für Studiengebühren ausgehen. Dass Schavan die Studiengebühren plötzlich abnickte, war weder prinzipienfest noch klug. Von einer Mehrheit des Merkel-Meyer-Kurses kann nämlich in der CDU keine Rede sein. Zwar ist in Stuttgart mit Wissenschaftsminister Klaus von Trotha der enthusiastischste Befürworter des bezahlten Studiums in der CDU zuhause. Damit hat es sich dann aber schon mit den Gebührenfans.

Nordrhein-Westfalen, der mit Abstand stärkste CDU-Verband, ist gegen Studiengebühren. Der RCDS trommelt mit kessen Tönen dagegen. Eine 57-prozentige Mehrheit von Mitgliedern votierte im internen CDU-Netz für ein gebührenfreies Studium.

Das Hauptproblem für Angela Merkel und ihre wankelmütige Bildungsexpertin Schavan aber sind die Fachpolitiker aus dem Bundestag und aus den Ländern. Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Rachel, lehnt den von Schavan formulierten Initiativantrag für den Parteitag ab. Rachel hat in der Bundestags-CDU eine Mehrheit hinter sich, die das Studium innerhalb der Regelstudienzeit gebührenfrei halten will.

Rachel stützt damit gleichzeitig die Wissenschaftsminister der CDU, die kürzlich einstimmig ein Erststudium ohne Gebühren beschlossen hatten.

Annette Schavan, die auch stellvertretende CDU-Vorsitzende ist, versuchte gestern die Szenerie zu beruhigen: Sie wolle keinen Parteitag, der sich isoliert mit Studiengebühren befasse. Dafür gibt es an sich genug Stoff – die CDU trommelt seit Wochen ihre wichtigsten Themen.

Auf ihrer Homepage ruft sie in Interviews dazu auf, „die Scheu vor dem Begriff der Elite abzulegen“. CDU-Landespolitiker haben termingerecht zum Parteitag das Abitur nach zwölf Jahren gefordert (Mecklenburg-Vorpommern) oder eine groß angelegte Bildungsoffensive angekündigt (Schleswig-Holstein).

Mit ihrem frommen Wunsch, dass „Fragen der Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung der Schlüssel für gesellschaftliche Modernisierung sind“, wird die Kultusministerin die Gebührendebatte wohl nur schwerlich eindämmen können.

Das wäre auch gar nicht im Sinne von Angela Merkel. Die Parteichefin weiß, dass die CDU gerade bei der Schlüsselfrage Studiengebühren für Aufsehen sorgen kann.

Daher hat sie den komplizierten Formelkompromiss gekippt, wonach Unis zwar eine neue Finanzierung bräuchten, diese aber nicht unbedingt mit Studiengebühren zu erreichen sei. Diese Formel wäre ähnlich verwaschen wie die der SPD, die offiziell gegen Gebühren an der Uni ist, de facto aber die Pläne dafür in der Schublade hat.

Generalsekretär Laurenz Meyer hat noch ganz andere Gründe, dem Parteitag ein Bekenntnis für Studiengebühren abzuringen. Er will dem Gebührengegner Jürgen Rüttgers eine Ohrfeige verpassen. Für den CDU-Chef in NRW musste Meyer sein geliebtes Amt als Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag räumen. Ob Meyer dieses Manöver gelingt, wird am Montag leicht zu erkennen sein – da soll er nämlich offiziell als Generalsekretär berufen werden.

CHRISTIAN FÜLLER

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