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„Das Konzept der Piraten ist Gewalt“

Der Sicherheitsberater Michael Leibfritz rät Seeleuten, sich gegen Piraten zu wehren – mit Wachen, Feuerwehrschläuchen, Stöcken

taz: Welche Abwehrmaßnahmen empfehlen Sie gegen Piraten?

Michael Leibfritz: Entscheidend ist, sich überhaupt zu wehren. Von den Reedereien gibt es die Anordnung, nichts zu machen. Das ist fatal. Denn das Konzept der Piraten ist Gewalt. Denen ist es egal, ob die Besatzungen sich ergeben. Geiselnahmen sind normal, auch Verletzungen oder sogar Tötungen. Wenn Piraten es nicht nur auf die Schiffsladung abgesehen haben, sondern auf das ganze Schiff, müssen sie sich der Besatzung entledigen, und das läuft dann manchmal so ab, dass diese ermordet oder über Bord geworfen wird. Wir empfehlen, sich zu wehren. Dafür gibt es ein ganzes Verteidigungskonzept. Entscheidend ist, rechtzeitig einen drohenden Angriff zu erkennen und die Piraten zu attackieren, bevor sie das Schiff entern. Dann hat man gute Chancen, auch mit einfachen Mitteln wie Feuerwehrschläuchen, Stöcken oder einer Signalpistole selbst schwer bewaffnete Piraten abzuwehren.

Wie erkennt man rechtzeitig einen drohenden Piratenangriff?

Zunächst muss man wissen, wie die arbeiten. Piraten haben feste Vorgehensweisen. Schon im Vorfeld kann ich also möglicherweise etwas durch Aufklärung erkennen. Dann ist die Annäherung wichtig: Auf See kann man sich, abgesehen von der Dunkelheit, nicht ganz und gar ungedeckt einem Schiff nähern. Piraten nähern sich meist von der Hecksee aus, weil dieser Bereich von der Brücke nicht einsehbar ist. Wer am Heck Wachen aufstellt und entsprechende sicherheitstechnische Maßnahmen anwendet, kann rechtzeitig im Vorfeld einen Piratenangriff erkennen.

Welche sicherheitstechnischen Maßnahmen meinen Sie?

Ich will jetzt nicht zu viel rausgeben, aber es gibt einige Ausrüstungen, die bei der Marine eingesetzt werden, mit deren Hilfe man auch kleine Schiffe auf große Entfernungen erkennen kann. Dann ist es vollkommen unmöglich, dass sich ein Schiff unbemerkt nähern kann.

Einige Firmen bieten gegen Piraten bewaffnete Wächter oder gar Gurkhasoldaten. Was halten Sie davon?

In vielen Weltgegenden reichen Eigenschutzmaßnahmen der Besatzung. Es gibt aber auch Gebiete mit Piraten, denen man mit normalen Mitteln nicht mehr Herr werden kann. In Somalia zum Beispiel hat man es mit sehr schwer bewaffneten und sehr aggressiven Piraten zu tun, auch in Teilen Indonesiens ist das manchmal der Fall. Hier muss man schon überlegen, ob man nicht Sicherheitskräfte an Bord bringt. Das hängt aber auch vom Schiff und der Ladung ab. Solche Piraten nehmen sich ganz gezielt bestimmte Schiffe raus.

Das International Maritime Bureau empfiehlt ein Satellitenortungssystem zur Piratenabwehr. Würden Sie sich dieser Empfehlung anschließen?

Satellitenortungssysteme bringen nur etwas, wenn ganze Schiffe verschwinden. Wenn die Piraten nur auf den Schiffssafe aus sind, bringt das wenig. In 95 Prozent der Fälle, in denen ein Hilferuf ausgesendet wird, kommt keine Hilfe. Es kommt auch tagelang später nichts, weil die Behörden vor Ort überfordert sind, gar nicht die Marine oder behördlichen Mittel haben, solchen Angriffen nachzugehen oder vielleicht sogar selbst darin verstrickt sind. Ein Satellitensystem funktioniert nur, wenn die Behörden vor Ort mitspielen und schnell der Sache nachgehen.

Interview: SVEN HANSEN

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