: Mafia der Meere
Die moderne Piraterie boomt. Jahr für Jahr steigt die Zahl der gemeldeten Überfälle, vor allem in Südostasien. Mit dem Mythos säbelfechtender Freibeuterei eines Klaus Störtebeker oder Francis Drake hat die maritime Kriminalität nichts mehr zu tun. In Zeiten der Globalisierung betreiben weit verzweigte Syndikate eine international organisierte Seeräuberei mit mafiösen Strukturen
von SVEN HANSEN
Nachts gegen 2 Uhr 30 im südchinesischen Meer. 21 mit Maschinenpistolen und Macheten bewaffnete Piraten entern am 25. September unbemerkt den malaysischen Tanker „MT Petchem“. Das Schiff ist mit 2.500 Tonnen Dieselöl auf dem Weg vom westmalaysischen Port Dickson ins ostmalaysische Kuching auf Borneo. In Höhe der indonesischen Natuna Inseln schlagen die Piraten zu. Sie überwältigen die Mannschaft und sperren sie in eine Kabine. Dann bringen sie das Schiff an einen unbekannten Ort. Dort kommt ein anderer Tanker längsseits und pumpt 2.200 Tonnen Diesel ab. Als sich am nächsten Tag die Crew der im Meer treibenden „MT Petchem“ befreien kann, fehlt von den Piraten und ihrer Beute jede Spur. Die malaysische Niederlassung des Shell-Konzerns, für die das Schiff unterwegs war, ist um 600.000 US-Dollar ärmer.
Dabei haben Eigner und Besatzung der „MT Petchem“ noch Glück gehabt – im Vergleich zu denen der „MV Cheung Son“. Das mit Hochofenschlacke beladene Schiff der Hongkonger Waibert Steamship Company wird im November 1998 auf dem Weg von Schanghai nach Malaysia in der Taiwan-Straße gestoppt. Achtzehn Männer in Uniformen des chinesischen Zolls und der Staatssicherheit betreten das Schiff, ohne Verdacht zu erwecken. Die dreiundzwanzigköpfige Mannschaft wird überwältigt und geknebelt. Nach zehn Tagen erschlagen die Piraten ihre Opfer und werfen sie mit Gewichten an den Füßen über Bord. Ein halbes Dutzend der Leichen geht später chinesischen Fischern ins Netz. Die „MV Cheung Son“ und ihre Ladung sollen später verkauft worden sein.
Die Morde auf der „MV Cheung Son“ wären nie aufgeklärt worden, wenn die Polizei nicht bei einer Razzia in der südchinesischen Provinz Guangdong zufällig auf ein Foto der Bluttat auf dem Schiff gestoßen wäre. Die Piraten hatten sich dabei fotografiert, um sich später ihrer Taten rühmen zu können. Im Januar dieses Jahres wurden dreizehn der chinesischen Seeräuber einschließlich ihres indonesischen Anführers hingerichtet, 25 weitere Beteiligte erhielten langjährige Haftstrafen. Neben der Kaperung der „MV Cheung Son“ wurden ihnen noch zwei andere Überfälle auf Schiffe zur Last gelegt.
Wer Piraten für eine Erscheinung längst vergangener Tage hält und heute allenfalls noch Produktpiraterie kennt, ist auf dem falschen Dampfer. Mit dem Mythos säbelfechtender Freibeuter, mit legendären Figuren wie Klaus Störtebeker und Francis Drake (siehe Randspalten), hat die Seeräuberei heutzutage zwar nichts mehr zu tun. Aber es gibt sie, mit steigender Tendenz. Die moderne Piraterie boomt. Die Angriffe auf Frachter und Tanker haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Das International Maritime Bureau (IMB) in London, eine Unterorganisation der Internationalen Handelskammer, zählte 1986, fünf Jahre nach seiner Gründung, weltweit 38 Fälle von Piraterie. 1991 war die Zahl schon auf 107 gestiegen. Und von Januar bis September diesen Jahres waren es rekordverdächtige 294 Überfälle – bereits fast so viele wie im gesamten Jahr 1999 mit insgesamt 300 Fällen. Der Schaden soll sich nach einer sehr vorsichtigen Schätzung aus dem Jahr 1997 auf zweieinhalb bis drei Milliarden US-Dollar jährlich belaufen.
Dabei werden längst nicht alle Piratenangriffe gemeldet. „Über die Hälfte der Fälle wird nicht berichtet aus Angst, dass eine Meldung zu Verzögerungen der Fahrt führen kann“, sagt Noel Choong, Direktor der IMB-Zweigstelle Piracy Reporting Center in Kuala Lumpur, die 1992 gegründet wurde und durch Spenden von Reedereien und Versicherungen finanziert wird. „Wenn bei einem Überfall nur hundert Dollar gestohlen wurden, könnte eine Untersuchung im nächsten Hafen das Schiff mehrere Tage festhalten. Das würde Tausende Dollar kosten.“ Selbst wenn bei einem Angriff ein Seemann getötet wird, ist nicht sicher, dass die Reederei den Fall meldet. Das Leben von Seeleuten aus den Philippinen oder Bangladesch, die weltweit das Gros der Schiffsbesatzungen stellen, zählt im Vergleich zu den Millionenwerten an Bord nicht viel. Unregistriert bleiben meist auch Überfälle auf Fischerboote.
Schwerpunkt der Piraterie ist heute Südostasien (siehe Karte). Archipelstaaten wie die Philippinen mit 7.000 und Indonesien mit 13.000 Inseln bieten hervorragende Verstecke für Piraten und sind nur schwer zu kontrollieren. In Indonesien ereigneten sich in diesem Jahr mit bisher neunzig Fällen fast ein Drittel aller weltweit gemeldeten Angriffe auf Schiffe. „Dort haben sich wegen der wirtschaftlichen und politischen Krise in den vergangenen zwei Jahren viele Fischer der Piraterie zugewandt“, meint Choong.
Die staatliche Autorität ist in Indonesien größtenteils zusammengebrochen. Der Militärexperte der deutschen Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia, Ingo Wandelt, wirft den Militärs des Landes vor, aus politischen Gründen Unruhen zu initiieren, und weist darauf hin, dass die Unruheherde Aceh, Molukken und Timor an wichtigen internationalen Wasserstraßen liegen. Während Indonesiens Marineschiffe meist im Hafen lägen statt gegen Piraten vorzugehen, sieht Wandelt Anzeichen, dass Armeeangehörige in Schmuggel und Piraterie verwickelt sind. Beweise gebe es allerdings nicht.
Eine Zunahme der Piraterie wird auch aus Bangladesch und Indien gemeldet. In Bangladesch gab es dieses Jahr bereits 32 Fälle gegenüber sieben im Jahr 1999, in Indien 23 gegenüber zwei im Vorjahr. Die Zeitung Indian Express berichtete Anfang Oktober, dass im Golf von Bengalen Piratenbanden bei der jüngsten Flut sowohl in Ostindien als auch im Westen von Bangladesch unter Wasser stehende Dörfer überfallen haben. Weitere Schwerpunkte der modernen Piraterie sind das Rote Meer sowie die Küsten Somalias, Nigerias und Nordbrasiliens.
Besonders gefährlich ist die Straße von Malakka. Die 800 Kilometer lange und an ihrer schmalsten Stelle nur knapp 18 Kilometer breite Hauptschifffahrtsroute zwischen der westmalaysischen Halbinsel und der indonesischen Insel Sumatra ist ein Nadelöhr, das jährlich 30.000 Schiffe passieren. In diesem Jahr wurden dort bereits 32 Überfälle gezählt. Die Seestraße verbindet die fernöstlichen Exportnationen mit Europa und ist für Japans, Koreas und Taiwans Ölversorgung aus den Golfstaaten wie eine maritime Hauptschlagader. Alan Chan von der singapurianischen Reederei Petroships warnt vor einer durch Piraten ausgelösten Ölpest. „Stellen Sie sich einen führungslosen Öltanker vor, dessen Mannschaft von Piraten ausgeschaltet wurde!“ Dass seine Warnung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt der französische Tanker „Charmont“. Dessen Crew bekam nach einem Piratenüberfall das Schiff gerade wieder rechtzeitig unter Kontrolle, um eine Katastrophe zu verhindern.
„Es gibt drei Arten von Piraterie“, erklärt Choong vom Piracy Reporting Center. „Neunzig Prozent der Piraten sind Gelegenheitsdiebe, die nach dem Entern stehlen, was ihnen in die Finger kommt: Farbeimer, Taue, Bargeld, den Inhalt des Schiffstresors oder die Habseligkeiten der Crew.“ Manchmal haben die Piraten es auch auf den Inhalt eines ganz bestimmten Containers abgesehen. Meist finden die Überfälle in Küstengewässern statt, wenn die Schiffe auf Reede liegen oder auf Grund nautischer Erfordernisse langsam fahren müssen. Oft schlagen die Piraten mit ihren kleinen, auf keinem Radarschirmbild sichtbaren Speedbooten im Dunkeln zu. Für die überfallene Mannschaft sei es gleich, was die Piraten stehlen wollen, so Choong. Die Crew müsse bei Piraten, die mindestens mit Messern bewaffnet seien, immer mit Gewalt rechnen.
„Die zweite Gruppe von Piraten ist an der Ladung der Schiffe interessiert“, erklärt Choong. Etwa der Fall des mit Dieselöl beladenen Tankers „MT Petchem“: Die Piraten waren über Route und Ladung des Schiffes bestens informiert und hatten sich auf den Diebstahl generalstabsmäßig vorbereitet. Der gestohlene Diesel lässt sich leicht an Fischerdörfer verkaufen.
„Die dritte Art der Piraterie ist die gefährlichste: Die Piraten sind sowohl auf die Ladung wie auf das ganze Schiff aus“, sagt Choong. „Das Schiff wird entführt, die Mannschaft womöglich über Bord geworfen oder in einem kleinen Boot ausgesetzt.“ Etwa das Schicksal der „MV Cheung Son“ und ihrer ermordeten Besatzung: „Haben die Piraten die Kontrolle über das Schiff, benennen sie es um, registrieren es vorübergehend unter einer so genannten Billigflagge wie etwa der mittelamerikanischen Staaten Panama, Honduras oder Belize. Eine Dreimonatsregistrierung ist sehr einfach zu bekommen. Nachdem das umbenannte Schiff in einem Hafen die Ladung gelöscht hat, wird es auf See erneut umbenannt und dann preisgünstig zum Chartern angeboten. Die neue Ladung wird wieder gestohlen. So entsteht ein Kreislauf aus Umbenennung und Diebstahl. Jede Ladung bedeutet einen Verlust von zwei bis fünf Millionen Dollar.“
Gestohlene Schiffe unter falschem Namen heißen Phantomschiffe. Nach Schätzungen des IMB gibt es ein Dutzend solcher Fälle im Jahr. Ein Phantomschiff erwirtschaftet bis zu fünfzig Millionen Dollar jährlich. „Solche Verbrechen werden von Syndikaten begangen, die wie eine Mafia funktionieren“, sagt Noel Choong. „Das ist organisierte Kriminalität.“
Die Schiffe werden samt Ladung quasi auf Bestellung gekapert. Um ein Schiff verschwinden zu lassen und es als Phantomschiff zu betreiben, bedarf es spezieller Fähigkeiten und guter Verbindungen. Die Piratensyndikate benötigen nicht nur eine eigene erfahrene Crew, sondern auch ein Netzwerk von Hehlern und Käufern an Land, die sich die Zusammenarbeit der Behörden mit Bestechung sichern. Solche Piraten sitzen in Handelszentren wie Singapur, Hongkong oder Schanghai.
Laut Choong gibt es in Asien mindestens vier Syndikate, die international organisierte Piraterie betreiben. Details möchte er nicht nennen. Der Hamburger Sicherheitsberater Michael Leibfritz hat da weniger Hemmungen. Für den Antipiratentrainer (siehe Interview) steht fest: „Die Hauptdrahtzieher der organisierten Piraterie kommen aus China. Das sind die chinesischen Triaden, die auch im Menschen-, Waffen- und Drogenhandel stark vertreten sind. Sie haben auch Verbindungen zu der chinesischen Regierung.“ Ihr Einfluss, so Leibfritz, reiche bis nach Europa. „Die chinesischen Triaden sind durchaus in der Lage, in Hamburg oder Rotterdam ein Schiff so beladen zu lassen, dass sie es in Indonesien oder anderswo leicht illegal entladen können.“
Immer wieder taucht gestohlene Ladung in China auf, dessen Küste für ihren lebhaften Schmuggel genauso bekannt ist wie für die Beteiligung von Beamten an illegalen Geschäften. Lange Zeit ging Chinas Regierung nicht gegen Piraterie vor. Noch im Februar 1997 wurden indonesische Piraten unbehelligt abgeschoben, die den zypriotischen Frachter „Anna Sierra“ nach China entführt hatten. Die Zuckerladung des Schiffes hatten die Behörden eigenmächtig versteigert, das beschlagnahmte Schiff wollten sie nur gegen Zahlung von 400.000 Dollar an den Eigner zurückgeben – zur Erstattung der „Ermittlungskosten“.
Wie die Hinrichtung der Piraten der „MV Cheung Son“ im Januar zeigt, deutet sich in China eine Kursänderung an. Am 8. November wurden in der Küstenprovinz Fujian vierzehn Menschen wegen Schmuggels zum Tode verurteilt. In die Affäre um den Schmuggel von Diesel, Autos und Tabak im geschätzten Umfang von fünfzehn Milliarden Mark sollen bis zu sechshundert Beamte verwickelt sein. Unter den zum Tode Verurteilten ist der oberste Zollchef der Provinzhauptstadt Xiamen, der Vizebürgermeister und der stellvertretende Polizeichef der Provinz. Zwar wurde nicht bekannt, ob sie auch in Piraterie verwickelt waren. Aber der Fall macht amtlich, dass es in China für den Vertrieb illegaler Waren hochrangige Netzwerke gibt, die auch Piraten für den Verkauf ihrer Beute benötigen.
Im Kampf gegen die Piraterie ist nicht nur die mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit von Regierungen, gegen Seeräuberei vorzugehen, ein Problem, sondern auch die Rechtslage. Denn die UN-Seerechtskonvention von 1982 definiert als Piraterie nur Überfälle auf hoher See und nicht – wie das IMB – auch solche Angriffe, die in Hoheitsgewässern einzelner Staaten stattfinden. Für solche Akte sind nach der Seerechtskonvention nur die Staaten zuständig, in deren Hoheitsgebiet der Überfall stattfindet. Für den Schutz auf hoher See ist demnach die Marine des Landes zuständig, unter dessen Flagge das angegriffene Schiff fährt. Für Schiffe unter Billigflagge bedeutet dies völlige Schutzlosigkeit.
Zwar wurden, nachdem palästinensische Terroristen 1985 das italienische Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ im Mittelmeer überfallen hatten, die Eingriffsmöglichkeiten anderer Staaten mit der Konvention von Rom 1988 erweitert. Jetzt darf die Marine jedes Staates Piraten auf hoher See fangen – sofern die jeweils betroffenen Regierungen die Konvention unterzeichnet haben. Allerdings: Von den ostasiatischen Staaten sind bislang nur Japan und China der Konvention beigetreten. Noch delikater ist der grenzüberschreitende Einsatz von Marineschiffen. Fast alle fernöstlichen Staaten streiten mit ihren Nachbarn über den Verlauf der jeweiligen Seegrenzen.
Japan, das als Inselstaat an der Sicherung der Seewege besonders interessiert ist, bot seinen Nachbarn im April bei einer Antipiratenkonferenz in Tokio den gemeinsamen Einsatz der Küstenwachen an. Doch China, das Japan eine mangelnde Aufarbeitung seiner Kriegsverbrechen vorwirft, wies den Vorschlag zurück. Er hätte bedeutet, dass erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg bewaffnete japanische Schiffe außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer zum Einsatz kommen. Zwar hatte Tokio dafür extra die als zivil deklarierte Küstenwache und nicht die Marine vorgeschlagen, deren außerterritorialen Einsatz die Verfassung verbietet. Doch den Argwohn der Chinesen beseitigt das nicht. „Wir hatten den Eindruck, dass die Japaner klammheimlich den Aktionsradius ihrer Streitkräfte erweitern wollen. Deshalb haben wir dem Vorschlag nicht zustimmen können“, sagt General Pan Zenqiang vom Institut für Strategische Studien in Peking.
Während die Antipiratenkonferenz in Tokio nur mit unverbindlichen Appellen zur Kooperation endete, machen private Sicherheitsfirmen inzwischen Reedern und Besatzungen handfeste Angebote. Sie reichen von einem Antipiratenkurs auf CD zum Selbststudium über schuss- und stichfeste Schwimmwesten für die Mannschaft bis zur Vermittlung bewaffneter Söldnertruppen zum Schutz der Schiffe. Die britische Firma Anglo Marine Overseas hat bis zu dreihundert ehemalige britische Elitesoldaten eines Gurkha-Regiments im Angebot, die in Gruppen von bis zu acht Personen zur Abschreckung gegen Überfälle auf Schiffen stationiert werden sollen. Die Gurkhas, Angehörige eines nepalesischen Bergvolkes, das sich durch besondere kriegerische Fähigkeiten auszeichnet und dessen Kämpfer bis heute ein wichtiger Bestandteil britischer Eliteeinheiten sind, sollen nicht bewaffnet sein, sondern potenzielle Angreifer mit Kampfsportarten außer Gefecht setzen. Sie sind vor allem für Kreuzfahrt- und Casinoschiffe vorgesehen.
Die schweizerisch-britische Firma Marine Risk Management bietet eine Söldnertruppe, die entweder an Bord stationiert oder per Privatjet innerhalb von 24 Stunden zur Rückeroberung eines gekaperten Schiffes eingesetzt werden kann. Das International Maritime Bureau, das rund um die Uhr eine Anti-Piratenhotline betreibt, lehnt Waffen an Bord ab. Sie könnten zur Eskalation beitragen, zudem würden es Piraten auch auf Waffen absehen, so die Begründung. Das IMB will vielmehr die Regierungen nicht aus der Pflicht entlassen, selbst stärker gegen Piraten vorzugehen.
Für Piratenjäger Choong zeigt der Fall der „Alondra Rainbow“, dass entschlossenes Handeln der Behörden ein sehr wirksames Mittel ist. Der in Panama registrierte japanische Frachter war mit 7.000 Tonnen Aluminiumbarren an Bord im Oktober 1999 auf dem Weg vom indonesischen Kuala Tanjung nach Japan gekapert worden. Die Mannschaft wurde auf See ausgesetzt und erst nach elf Tagen von thailändischen Fischern gerettet. Das IMB informierte Schiffe und Häfen vom Verschwinden der „Alondra Rainbow“ und alarmierte schließlich die indische Marine, als das mittlerweile in „Mega Rama“ umbenannte und unter der Flagge Belizes umbeflaggte Schiff auf die indische Westküste zusteuernd gesichtet wurde. Vierhundertdreißig Kilometer westlich von Goa brachte die indische Marine das Schiff auf. Die fünfzehn Piraten an Bord öffneten noch die Ventile, um das Schiff zu versenken, und legten Feuer, doch das Marinekommando war schneller. Ein Teil der Ladung war bereits verschwunden. Später wurden 214 Aluminiumbarren der ursprünglichen Ladung in einem Lagerhaus in Manila gefunden.
Der Fall „Alondra Rainbow“ dient dem IMB auch zur Propagierung seiner neuesten Technik: ein an Bord versteckter Sender, der über Satellit fünfzehn Mal am Tag den Standort des Schiffes meldet. Die Standortmeldung des Senders kann von der Reederei übers Internet abgefragt werden. „Die ,Alondra Rainbow‘ und die ,MT Petchem‘ hätten so jederzeit lokalisiert werden können. Dies hätte sehr viel Geld gespart“, meint Choong. Bisher haben erst 75 vor allem japanische Schiffe einen solchen Sender installiert. Entführt wurde noch keines von ihnen.
SVEN HANSEN, 39, verbrachte als Kind von der Waterkant seine Jugend hauptsächlich auf dem Wasser und arbeitete sich in der Kombüse eines Containerfrachters über den Nordatlantik. Heute ist er in der taz für die Region Asien-Pazifik zuständig. Im taz.mag 3/1999 schrieb er über die systemüberschreitende Renaissance der Triaden, der „schwarzen Gesellschaften“ Chinas.
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