„Irgendwann muss Schluss sein“

■ Bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter tut sich die Wirtschaft immer noch schwer / Nachfolger der Bunkerbauer zahlen nicht in den Zwangsarbeiter-Fonds / Zwei Beispiele

Lackner&Partner und Reiners Bau GmbH: zwei Bremer Firmen, die wenig gemeinsam haben. Ein relativ kleines, aber weltweit tätiges Ingenieursbüro hier, eine Baufirma unterm Dach der großen, bundesweit aktiven Hegemann-Gruppe dort. Ein paar Gemeinsamkeiten gibt es aber doch: Beider Firmengeschichten verbinden sich mit dem Bunkerbau in Bremen-Farge – einem der monströsen und sinnlosen Beispiele nationalsozialistischen Größenwahns, bei dem tausende von Menschen, die zur Arbeit gezwungen wurden, umkamen. Und: Beide Firmen haben bis heute keine müde Mark in den Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter gezahlt.

Martin Schwarz, Ingenieur bei Prof.Dr.Lackner & Partner, kann in der Firmengeschichte des „Büros für beratende Ingenieure“ keine Kontinuität in dieser Angelegenheit erkennen. Dr. Lackner war einer der leitenden Ingenieure auf der Bunkerbaustelle. Anfang der 90er Jahre ist er verstorben.

„Zweimal die Woche fuhren die Ingenieure zur Baustelle, um den Fortgang der Arbeiten zu begutachten,“ heißt es in dem vor ein paar Monaten erschienenen Buch „Die U-Boot-Bunkerwerft Valentin“. Der Autor der Broschüre, Marine-Mitarbeiter Rainer Christochowitz, weiß: „Die Firma Lackner & Partner, vorher Agatz, ist durch den Bunkerbau in Bremen hängen geblieben.“ Der heutige Geschäftsführer Martin Schwarz: “Das Ingenieursbüro hat von den unglücklichen Umständen nicht profitiert. Herr Lackner hat dort als Angestellter sein Gehalt bezogen.“

Die „unglücklichen Umstände“, die 6000 Zwangsarbeiter und Häftlinge des Konzentrationslagers das Leben kosteten, seien außerdem schon „fast zwei Generationen her“, rechnet Schwarz. Sicher, man profitiere noch vom guten Namen Lackners, sonst aber gebe es zu dieser Zeit keine Verbindung. Dem Aufruf des Stiftungsrates der deutschen Wirtschaft, der nun an alle, auch unbeteiligte Firmen appelliert, wolle man aber in der nächsten Vorstandsitzung folgen.

Mit der Gnade der späten Geburt argumentiert auch der 72-jährige Detlef Hegemann, Chef der florierenden Hegemann-Gruppe. Zu ihr gehört die Baufirma August Reiners GmbH, die in der „Arbeitsgemeinschaft Süd“ Erdarbeiten für den Bunkerbau in Farge ausführte. Reiners war damals keine sehr große Firma, aber es waren gerade die lokalen, kleinen Unternehmen, denen das System der Zwangsarbeiter Vorteile verschafft hat. So standen auch während des Bunkerbaus zwischen 1943 und 1945, als die meis-ten deutschen Männer an der Front oder tot waren, noch genügend Arbeitskräfte zur Verfügung. „Viele kleine Firmen hätten die großen Bauaufträge gar nicht annehmen können“, sagt die Historikerin Barbara Johr, die 1989 zusammen mit Hartmut Roder das erste Buch zum Bunkerbau geschrieben hat und umfangreich in Bundesarchiven recherchierte. Die Organisation Todt, die die meisten Lager in Baustellennähe betrieb, wies den Firmen Arbeiter zu.

Detlef Hegemann behauptet, er höre von der Beteiligung der Reiners Bau GmbH am Bunkerbau zum ersten Mal. „Bei uns lebt keiner mehr, der in dieser Zeit bei Reiners gearbeitet hat“, sagt er, und: „Irgendwann muss auch mal Schluss sein.“ Er sei als Ingenieur erst 1956 in die Firma August Reiners eingetreten. Alle Akten habe ein Brand, dem das Büro der Firma auf dem Liebfrauenkirchhof zum Opfer gefallen sei, vernichtet. Ob er jetzt, angsichts der Information bereit sei, in den Fonds einzubezahlen? Die Hegemann-Gruppe habe am Bunker nicht gebaut, wehrt er zunächst ab. Vorstandsmitglied Hartmann sagt, man sei „ganz offen“ und die Debatte in der Firma könne nun, da man den Hinweis bekommen habe, beginnen.

Detlef Hegemann ist der Enkel des Firmengründers August Reiners. Der Brief einer Schülergruppe, die vor ein paar Jahren alle am Bunkerbau beteiligten Firmen angeschrieben hatte, sei bei ihm nicht angekommen. Und auch vom Schreiben der Handelskammer, die im März diesen Jahres alle Bremer Unternehmen mit der Bitte um Beteiligung am Fonds angeschrieben hat, will er nichts gehört haben. Aber da sei man sicherlich „zu einer Spende bereit“. Ob in der vom Stiftungsrat vorgeschlagenen Höhe von einem Promill des Umsatzes oder doch nur im Rahmen der im Verband der Bauunternehmen ausgehandelten 0,1 Promill ist noch nicht entschieden. Und auch nicht, ob man vom Umsatz der ganzen Hegemann-Gruppe ausgeht oder von dem der Reiners-GmbH. Obwohl Hegemann vor 18 Jahren die Roland-Werft, damals in Bremen-Hemelingen, erworben hat. Laut einer im Staatsarchiv abgehefteten Liste, die die Gestapo 1944 aufgestellt hat, mussten auf der Werft 89 Zwangsarbeiter schuften

Elke Heyduck