piwik no script img

Zierkirsche gegen Walnuss

Im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin streitet das Forstamt mit Ökobauern um ortsübliche Kirschsetzlinge zwischen zu DDR-Zeiten gepflanzten Nussbäumen aus Bulgarien, um Handarbeit versus Rüttelmaschinen und um Rehe, die alles auffressen

von MAIKE RADEMAKER

Sie kamen bei Nacht und Nebel, die Wagen voll mit jungen Bäumen. Schlichen sich auf die Plantage. Setzten die kleinen Vogelkirschen zwischen die Walnussbäume. Als Martina Busch und Peter Klann am nächsten Morgen kamen, standen die Setzlinge, und die Zukunft der beiden als Plantagenbewirtschafter lag am Boden. Tatort: die nördlichste Walnussplantage Deutschlands, im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Uckermark. Ganz so war es nicht, sondern wie immer ein kleines bisschen komplizierter.

Martina Busch und Peter Klann sind – noch – Pächter der Plantage. Für sie war es eine unverhoffte, schöne Überraschung: Kurz nachdem das ökologisch orientierte Ehepaar in Ringenwalde eine Ölmühle eröffnete, erzählten ihnen die Dorfbewohner von einer alten Walnussplantage unmittelbar in der Nähe. Tatsächlich wuchsen da, leicht verwildert, 380 zu DDR-Zeiten gepflanzte bulgarische Walnussbäume, mitten im Biosphärenreservat. Flugs beantragten die beiden einen Pachtvertrag über das Gelände und bekamen ihn auch. Doch jetzt ist vielleicht bald Schluss mit der Freude: Der Pachtvertrag ist zum Jahresende gekündigt, zwischen den Nussbäumen stehen die jungen Vogelkirschensetzlinge. Es gibt Krach zwischen dem Amt für Forstwirtschaft in Templin und den Ölmühlenbetreibern.

Nicht, dass mit dem Pflanzen der Kirschen etwas Unrechtes getan worden wäre: Schon bei Abschluss des Vertrages hatte die Forstverwaltung festgehalten, dass dort die Kirsche zur Saatgutgewinnung angepflanzt werden soll. „Das stört nicht bei der Ernte der Nüsse“, sagt Joachim Olbricht, Forstamtsleiter in Templin.

Um die Kirschen setzen zu können, entfernten seine Waldarbeiter auch bald und zur Zufriedenheit der Ölmühlenbetreiber die Weihnachtsbäume, die noch dazwischen standen. Aber als es ernst wurde mit der Auspflanzung, kippte die Stimmung. Ob die Kirschen denn nicht woandershin könnten, fragten Busch und Klann.

Theoretisch ginge das: Die Verwaltung des Biosphärenreservats hat einen anderen Standort der Pflanzen angeboten und käme auch für die bisher entstandenen Kosten auf. Busch und Klann wären bereit, die Setzlinge auszubuddeln und umzusetzen.

„Eigentlich hätte die Forstverwaltung auch das Aussetzen mit uns, der Verwaltung des Biosphärenreservats, absprechen müssen. Das hat sie aber nicht getan“, sagt Michael Luthard, stellvertretender Reservatsleiter. Doch in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“, in „gutsherrlicher Art“ seien Fakten geschaffen worden.

Forstamtsleiter Olbricht sieht das ganz anders, und vor allem sieht er keinen Konflikt: Es sei Platz genug zwischen den Nüssen, eine andere freie Fläche gebe es nicht, und den Nüssen täte die Kirsche gut: Sie schütze die Bulgaren vor Frost, und das abgefallene Kirschlaub wirke bodenfördernd.

Bleiben die Kirschen, wo sie sind, sagt dagegen Busch, hätte das für den Betrieb weit reichende Konsequenzen. Zwar soll ihnen ein Ernterecht eingeräumt werden. Da Handarbeit aber zu teuer ist, müssen die Nüsse mit einer Rüttelmaschine geerntet werden. Da stören die Kirschensetzlinge. Außerdem könnten Nüsse und Öl nicht ökozertifiziert werden. Das geht nur, wenn über einen Pacht- oder Kaufvertrag bewiesen ist, dass die Bauern auch den Boden bewirtschaften und kontrollieren, was der Fall ist. Muss die Plantage aufgegeben werden, gäbe es einige Saisonarbeitsplätze weniger. Schon jetzt ist dem Mitarbeiter gekündigt worden, der für die Pflege zuständig war. Mehrere tausend Mark Investitionen wären umsonst gewesen. Oder ganz einfach: „Die Leute freuen sich, wenn sie im Sommer aus Berlin zu uns kommen. Walnüsse sind besondere Bäume. Bei der letzten Ernte haben viele geholfen, es war ein richtiges Fest“, erzählt Martina Busch.

Genau diese Besuche findet Olbricht nicht gut: „Da bleibt das Tor auf, und die Rehe fressen mir die Knospen der Setzlinge ab.“ Rüttelmaschinen wolle er dort nicht haben. „Über die Interessen der Pächter erfahre ich nur über Umwege“, ärgert er sich.

Mittlerweile zieht der Krach weitere Kreise. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Wolfgang Birthler wurde dazu gerufen, winkte aber freundlich ab: Das solle man doch unter sich regeln. Verkaufen könne man das Terrain aus gesetzlichen Gründen allerdings nicht, erklärte er Klann schriftlich. Die Leiterin des Naturschutzzentrums „Blumberger Mühle“, Kathrin Succow-Hoffmann, und der Ökoverband Demeter in Darmstadt unterstützen Busch und Klann. Erste Unterschriftenlisten liegen aus. Selbst der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Hardy Vogtmann, ein engagierter Verfechter des ökologischen Landbaus, wurde um seine Meinung gebeten; der findet, was Wunder, dass man sich doch einigen möge. In Kürze, so Olbricht, werde man erneut darüber reden, „wer welche Interessen hat und wer was kann“. Ein Lichtblick im Argumente-Wald.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen