: Kulturbeutel contra Leitkultur
Berlins Ausländerbeauftrage Barbara John (CDU) packt alte Argumente einer Plakatkampagne gegen neuen „Schmarrn“ ihrer Partei auf Baumwolltaschen
Die Ausländerbeauftragte ist genervt. Der Fraktionsvorsitzende ihrer Partei, Friedrich Merz, hat die unselige Debatte um den Begriff „Leitkultur“ angezettelt, die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel ist ihm inzwischen auch noch beigesprungen. Zerknirscht sitzt Barbara John, Berlins Ausländerbeauftragte, bei der gestrigen Pressekonferenz am Tisch vor den Journalisten. Sie kann mit der ganzen Diskussion nichts anfangen. „Deutsche Leitkultur“ findet sie einen „Schmarrn“.
Aber Barbara John ist eine resolute Frau. Sie schlägt zurück. Und zwar mit Tragetaschen aus Baumwolle. Die nennt sie jetzt „Kulturbeutel“. Deswegen hat sie die Presse eingeladen. John hebt eine Stofftasche hoch. Auf den Tragetaschen ist die Frage „Was ist deutsch?“ gedruckt. John will jetzt neue Antworten aus der Bevölkerung darauf finden.
300 Reaktionen hat die Ausländerbeauftragte allerdings schon gesammelt. Die stehen auch auf den Beuteln. Deutschsein versteckt sich demnach hinter so vielfältigen Schlagwörtern wie: „Roberto Blanko“, „Schinkenhäger“, „Rostock“, „Tagesschau“, „Sauerkraut“, „Einwanderungsland“ oder „ein Ferienhaus in Spanien“.
„Denn niemand scheint so genau zu wissen, was Deutschsein heißt“, sagt John. „Und wir können doch nicht warten, bis irgendwelche Leithammel das festlegen.“ Es ist klar, auf wen sich dieser Seitenhieb richtet.
In der Debatte um die „ deutsche Leitkultur“ kämen nur „Plattheiten“ heraus, findet John. Es seien doch „Binsenweisheiten“, dass Zuwanderer die hier geltenden Gesetze, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Glaubens- und Meinungsfreiheit beherzigen sollten. „Dabei wollen die hier lebenden Ausländer die Ordnung doch gar nicht umstürzen“, schimpft John.
„Und wir brauchen jetzt wirklich niemanden, der Gräben aufreißt, sondern wir brauchen Vermittlung“. Müde wirkt sie, als sie das sagt. So, als hätte sie das schon zu oft wiederholt. So, als merke sie, dass sie diese Worte weniger an die Journalisten richtet als vielmehr an die Vorgesetzten ihrer Partei. Auch die „Kulturbeutel“-Aktion ist eigentlich ein alter Hut.
Barbara John hat damit eine sieben Jahre alte Kampagne ihrer Behörde aus dem Schrank geholt. Damals stand die Frage „Was ist deutsch“ und die 300 Anworten auf Plakatwänden in Berliner U-Bahnhöfen. Auch Bierdeckel ließ Johns Behörde damit bedrucken. Sie wurden „für Stammtischdiskussionen“ in Kneipen verteilt. Damals war die Aktion ein Erfolg. Es gab Plakatbestellungen aus Japan, Uruguay, Tunesien, Schweden und den USA. „Da waren wir wohl unserer Zeit schon voraus“, sagt John. Eigentlich meint sie: ihrer Partei voraus. Die Ausländerbeauftragte lächelt.
Doch mit ihrer Aktion gegen die „Leitkultur“ ist es Barbara John ernst. Leider sei kein Geld da, die Plakataktion zu wiederholen. Aber die Stofftaschen könne man für zwei Mark bei ihrer Behörde kaufen. Auch der Gaststättenverband habe schon eine Kiste mit Bierdeckeln bestellt. Barbara John lächelt noch einmal leise. KIRSTEN KÜPPERS
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