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Doch nicht für Niedriglöhne

Grüner Vorschlag für Lohnsenkungen in notleidenden Betrieben ist nur „Teil einer theoretischen Debatte“. Sozialminister Walter Riester (SPD): Tarifvertragsgesetz wird nicht geändert

BERLIN afp/rtr/taz ■ Das war eine Aufregung: Erst forderte Grünen-Fraktionssprecher Rezzo Schlauch, dass Unternehmer und Betriebsräte künftig auch „Verträge abschließen können, die eine Entlohnung unterhalb des Tarifvertrags vorsehen“. Gestern aber ruderten die Grünen flugs zurück: Das sei alles nur „Teil einer theoretischen Debatte“, erklärte hastig Reinhard Bütikofer, politischer Bundesgeschäftsführer der Grünen. Es stünde kein Gesetzentwurf an.

Zeitungsinterviews mit Rezzo Schlauch hatten für die Verwirrung gesorgt. Darin war von einem Papier der grünen Sozial- und Wirtschaftspolitikerinnen Thea Dückert und Margareta Wolf die Rede, nachdem künftig das so genannte Günstigkeitsprinzip erweitern werden soll. Das gesetzlich verankerte Günstigkeitsprinzip sieht vor, dass Arbeitnehmer in Betrieben dann vom Tarifvertrag abweichende Regelungen für sich in Anspruch nehmen können, wenn diese „günstiger“ für den Beschäftigten sind als der Tarifvertrag.

Nach dem grünen Vorstoß sollen Regelungen etwa für geringere Löhne etwa dann als „günstiger“ gelten, wenn damit eine Notlage im Betrieb abgewendet und eine Beschäftigungsgarantie gegeben werde.

„Die Betriebsräte sollten bei der Bewältigung von schwierigen Notsituationen nicht allein gelassen werden“, erklärte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Dückert.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erteilte dem Vorstoß der Grünen jedoch eine klare Absage. Einen entsprechenden Gesetzesantrag werde es nicht geben, sagte ein Regierungssprecher gestern in Berlin.

Zuvor hatte bereits Arbeitsminister Walter Riester (SPD) die Grünen-Initiative zurückgewiesen. Es bestehe kein Grund, das Tarifvertragsgesetz mit dem Günstigkeitsprinzip entsprechend zu ändern. Bereits heute würden Arbeitgeber und Gewerkschaften sehr flexibel auf die Praxis in den Betrieben reagieren. Eine solche Änderung würde an die Substanz gehen, „und da kann ich sicher sagen, da mache ich nicht mit“, so Riester.

Auch bei den Gewerkschaften stieß der Vorschlag der Grünen, das Tarifrecht zu ändern, auf heftige Kritik. Die Grünen würden sich „furchtbar in den Finger schneiden“, wenn sie an den Grundfesten der Gewerkschaftspolitik und Arbeitnehmerinteressen rüttelten, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursula Engelen-Kefer. Es sei empörend, wie sich die Grünen auf Kosten der Arbeitnehmer zu profilieren versuchten.

Unterdessen sind die Grünen allerdings dem Eindruck entgegengetreten, sie wollten mit ihrem Vorstoß nach Bezahlung unter Tarif den Flächentarifvertrag abschaffen. Dückert sagte gestern, ihrer Partei gehe es im Gegenteil um die Rettung des Flächentarifvertrags. Den Grünen sei die Beschäftigungssicherung wichtig. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen in einer existenzbedrohenden Lage sollte es ermöglicht werden, dass die Betriebsräte mit der Unternehmensleitung Löhne unter Tarif vereinbaren dürfen, um Arbeitsplätze zu erhalten. BD/NM

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