Liebling der Bescheidwisser

Fail better: Fehler sind Programm oder Matthew Herberts „Let’s all make mistakes“-Record-Release-Party im Tresor

Damit hatte man nun nicht mehr rechnen können: Dass im neuen Millennium noch mal jemand den Fehler zum Kern eines ästhetischen Konzepts erhebt. Ist das nicht schon alles da gewesen? Haben das nicht schon zu viele behauptet? Vor allem zu viele, die es einfach nicht besser konnten und schlicht ihr Unvermögen adeln wollten? Fehler haben wir in den Neunzigern doch allesamt genug gemacht, dafür war dieses Jahrzehnt doch da: War nicht die Verabredung, es nun fehlerfrei zu versuchen?

Bei Matthew Herberts Nachnamen, konnte man – als er Mitte der Neunziger zum ersten Mal auftauchte – fast davon ausgehen, dass Fehler Programm waren. Da gab es diese etwas verpeilte Figur in der Sesamstraße, die auch so hieß, und mit ein wenig guten Willen konnte man gewisse Attribute übertragen: Wenn Herbert als Dr. Rockit auftrat und mit Küchenmixern, Chipstüten, einem Mikrofon und einem Sampler auf der Bühne stand, dann sah das schon ein wenig merkwürdig aus, obwohl er es tatsächlich fertig brachte mit diesem Instrumentarium die Tanzfläche zu rocken.

So wurde er erst der Liebling der Bescheidwisser, und als er mit dem Clear-Label und den freundlich verbundenen Cheap-Leuten aus Wien auf große Tour ging, entdeckten ihn die Studenten. Herbert erfand neue Pseudonyme, Wishmountain etwa oder Radioboy, und unter seinem Nachnamen brachte er Houseplatten heraus.

Dass er nun mit einer Mischung aus Moloko, Mr Oizo, Nightmares On Wax und Traktor-Stücken eine Mix-CD veröffentlicht hat – „Let's all make mistakes“ –, daran erstaunt erst einmal eigentlich nur der Ort. Sie ist nämlich bei Tresor herausgekommen und macht zwischen all dem funktionalen Techno, der dort sonst verlegt wird, eine gute Figur. Dass sie in einem Take aufgenommen worden ist, ohne Beatcounter oder ähnlichen Nichtskönner-Schnickschnack, dafür steht ja eigentlich schon der Ruf des Labels, hier wird ehrlich gearbeitet, ohne doppelten Boden oder Playback. Und da man sich in der Leipziger Straße nicht lumpen lässt, wenn es darum geht, die klassische Moderne um Referenzen anzugehen – schließlich hat Jeff Mills dort gerade seine Version des „Metropolis“-Soundtracks herausgebracht – wird die Herbert-CD dort mit den Beckett-Worten „fail again, fail better“ angepriesen.

TOBIAS RAPP

Morgen Nacht ab 23 Uhr, Record-Release-Party mit Matthew Herbert, Tresor, Leipziger Str. 126, Mitte