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Schlaue Kinder mit Problemen

Hochbegabte Kids werden zu Außenseitern und schlechten Schülern, wenn sie nicht gefördert werden. Doch diese Unterstützung kostet Geld – und daran mangelt es

„Hochbegabte Kinder sind in Berliner Schulen benachteiligt, weil sie oft nicht erkannt und gefördert werden.“ Dieser Einschätzung des CDU-Bildungspolitikers Stefan Schlede schlossen sich in der gestrigen Sitzung des parlamentarischen Bildungsausschusses die Politiker aller Fraktionen an. Zuvor hatten sie sich in einer Anhörung über die Situation solcher Kinder informiert.

Ab einem Intelligenzquotienten (IQ) von 130 spricht man von einer Hochbegabung. Wie viele Schüler in Berlin derart hochbegabt sind, weiß niemand so genau. Die Schätzungen schwanken von 0,8 bis 5 Prozent der SchülerInnen.

Ob diese Kinder leistungsstark und sozial stabil oder aber verhaltensauffällig beziehungsweise unauffällig und still werden, das hänge vom sozialen Status der Familie ebenso ab wie von der individuellen Förderung in der Schule, führte der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen aus. Hochbegabte Kinder aus Zuwandererfamilien wie aus emotional unausgeglichenen Elternhäusern erreichten oft schlechte Noten, seien verhaltensauffällig und mit ihrer Umwelt unzufrieden.

Die Grundschule sei für hochbegabte Kinder allzuoft eine lange Qual, berichtete Maria Brandenstein von der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind. Sind Kinder unterfordert, so Brandenstein weiter, schalten sie ab, brechen innerlich mit der Schule und werden in der Klasse als Spinner abgelehnt. „Es ist ein Trugschluss, dass sich kluge Kinder immer selbst zu helfen wissen. Sie brauchen Förderung.“ Projektunterricht und jahrgangsübergreifende Angebote, die eigentlich für leistungsschwache Schüler als Förderung empfohlen werden, können auch hochbegabte Kinder motivieren, ihr Leistungsvermögen auszuschöpfen. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass sie dieses unterdrücken, um nicht aufzufallen. Das aber wirke auf Dauer persönlichkeitszerstörend. Doch diese Förderung, etwa in Arbeitsgemeinschaften für Schach und Philosophie, kostet Geld.

Preiswerte Fördermöglichkeiten wie das vorzeitige Einschulen, das Überspringen von Klassen oder so genannte Schnellläufergymnasien scheitern oft daran, dass Lehrer, Psychologen und Eltern Hochbegabung oft nicht erkennen. „Die Tests wären eigentlich vorhanden“, so Erziehungswissenschaftler Lenzen, „sie müssten nur eingeführt werden, zum Beispiel bei einer Einschulungsuntersuchung“.MARINA MAI

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