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Gerichtsurteil: Gerold Janssen in Siegerlaune

■ Die Stadt Bremen und ein Polizist müssen 1.500 Mark Schmerzensgeld an den Hollerland-Aktivisten bezahlen / Eine Entschuldigung gibt es immer noch nicht

Am Mittag lag der Sieger schon wieder im Bett. Mit Fieber zwar und heftig hustend, aber mit dem Gefühl, einen wirklich guten Tag zu haben. Gestern hat Gerold Janssen den Prozess gegen die Stadtgemeinde Bremen und einen Polizeibeamten gewonnen: Der 77-jährige überzeugte Hollerland-Aktivist bekommt, wie von ihm gefordert, insgesamt 1.500 Mark Schmerzensgeld. Damit ahndete die erste Zivilkammer des Landgerichts das „grob rechtswidrige“ Vorgehen der Polizei, die Janssen 1997 nach einer Protestaktion mit Gewalt in eine Zelle der Revierwache Horn verfrachtet hatte.

Der Umweltschützer hatte zuvor die Parole „CDU: Gott schütze uns vor Deiner Natur“ auf eine Betonleitplanke des Autobahnzubringers Horn-Lehe gepinselt. Die Beamten zwangen das vermeintliche Verkehrshindernis zu Boden, packten Janssen in ein Polizeifahrzeug und brachten ihn auf die Wache. Ein Arzt attestierte dem alten Herrn später diverse Schürfwunden, ein verdrehtes Handgelenk, Prellungen und einen steifen Hals (die taz berichtete). Für Janssen, der sich auch an wüste Beschimpfungen erinnert, ein Akt purer Willkür.

Er habe den Eindruck, als habe man den Kläger disziplinieren wollen, sagte Richter Dr. Stephan Ha-berland in seiner Urteilsbegründung. Es sei völlig unverhältnismäßig gewesen, den damals 74-Jährigen eine Stunde lang mit auf dem Rücken gefesselten Händen einzusperren, so Haberland. Die Beamten hatten argumentiert, dass sich der renitente Gefangene ansonsten selbst in Gefahr gebracht hätte. Aus Sicht des Gerichts eine „abwegige“ Begründung. Man habe überdies gar nicht versucht, die Identität des Gefangenen zu ermitteln. Polizeiführung und Innenressorts nahmen gestern dazu keine Stellung.

Das Gericht sah es ebenfalls als erwiesen an, dass einer der Beamten Janssen auf der Rückbank des Polizeibusses „fixiert“ und dem herzkranken Senior mit der behandschuhten Hand den Mund zugehalten hatte – Nötigung. Unklar blieb allerdings, ob sich der Angeklagte auch der Körperverletzung und der Beleidigung schuldig gemacht hat: Hier stehe Aussage gegen Aussage, so Richter Haberland. Dieser hält es überdies für „gerade noch verhältnismäßig“, einen 74-Jährigen zu Boden zu zwingen, um ihn von seiner – praktisch beendeten – Aktion abzuhalten. Ein Platzverweis wäre aus seiner Sicht jedoch das mildere Mittel gewesen. Fazit: Einer der Beamten sowie die Stadtgemeinde Bremen müssen zahlen.

Für Gerold Janssen ist dies zumindest ein symbolischer Erfolg. Besonders, weil die Gegenseite sich nicht dazu hatte durchringen können, sich bei dem streitbaren Alten („Auch ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird!“) zu entschuldigen. Wäre dies geschehen, hätte sich Janssen auf einen Vergleich mit der Polizei eingelassen. Nach wochenlangem Hin- und Her war eine solche Einigung geplatzt: Janssen zog sein Angebot zurück, nachdem die Vertreter der Stadt nur vage Formulierungen zustande gebracht hatten („Respekt und Anerkennung ...“). Jetzt geben sich beide Seiten die Schuld.

Für den Anwalt der Stadtgemeinde, Dr. Gerhard Lohfeld, ist das Schmerzensgeld-Urteil kein wirklicher Sieg für Janssen. „Gut, die symbolische Handlung hat er gekriegt“, sagt er. Aber einer der beiden angeklagten Polizisten sei immerhin entlastet worden. Außerdem müsse der Kläger einen guten Teil der Gerichtskosten mit bezahlen, „da bleibt für ihn nicht mehr viel übrig“.

Trotzdem: Gerold Janssen war gestern in Siegerlaune. „Wo gehen wir hin!“ rief er einigen Getreuen zu, die mit ihm ins Gericht gekommen waren. Er hält es für einen „dicken Hammer“, dass die Stadt sich nicht auf sein Vergleichsangebot eingelassen hat. Und freut sich drüber. Von den 1.500 Mark wird er jedoch tatsächlich wenig haben: Janssen mußte 300 Mark für die Säuberung der Leitplanke zahlen; die Reinigung der befleckten Uniformen kostete ihn den gleichen Betrag – auch wenn noch ein Verfahren in dieser Sache läuft. Dann sind da noch die Gerichtskosten, von denen er zwei Fünftel tragen muss. Eines jedoch steht für ihn fest: 300 Mark bekommt sein Enkel Miroslac, der 1997 ebenfalls in den Polizeigriff geriet. hase

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