: Nur aus Übersee oder dem Bioladen
Sinkende Nachfrage nach Rindfleisch und verunsicherte Kunden: Die Suche nach Alternativen hat begonnen
Berliner Rindfleischverkäufer haben eines gemeinsam: Sie selbst essen alle noch ihr Rind, ob als Steak, Burger oder Wurst. Bei ihren Kunden sieht es schon anders aus, hier herrscht große Unsicherheit. Beim Verkauf von Rindfleisch ist seit der neuerlichen Präsenz von BSE-Fällen in den Medien ein Nachfragerückgang von bis zu 50 Prozent zu verzeichnen.
Bei der Fleischerei Hampel in Schöneberg ist man ratlos. „Unsere Kunden fragen oft nach der Herkunft des Fleischs, und sie nehmen uns unsere kompetente Beratung auch ab. Aber wir haben selber unsere Grenzen und können keine vollständige Sicherheit bieten“, berichtet Helga Hampel. Daher stiegen viele Kunden auf andere Fleischsorten um. Auch im Steakhaus „El Dorado“ in Mitte essen seit neuestem 70 Prozent der Gäste Schwein oder Geflügel. „Früher haben die Gäste fast ausschließlich Rindfleisch bestellt, jetzt helfen da auch auf den Tischen ausliegende Infozettel oder persönliche Gespräche mit den Kunden nicht mehr weiter“, meint Geschäftsführerin Sabine Jürgens. Im KaDeWe haben die Kunden Vertrauen in die Qualität des Angebots, auch wenn hier einige statt Rind nun Wild oder Geflügel kaufen. „Im KaDeWe wird sowieso vorwiegend Rind aus Neuseeland oder Amerika angeboten. Dort kommt schon immer der Rolls-Royce des Fleischs her“, erzählt Manfred Dingler, Einkäufer für Frischfleisch beim KaDeWe. Unter Fleischermeistern wisse man schon lange um das Problem: „Det ist ne heiße Kiste. Um sicher zu sein, verzichtet man entweder auf europäisches Rindfleisch und kauft Fleisch aus Übersee, oder man wendet sich Bioprodukten zu.“
In der Tat ist die Nachfrage nach Rindfleisch in Bioläden deutlich gestiegen. Robert Erler von der Bio-Company in Charlottenburg hat am Wochenende viele neue Kunden ausgemacht. „Das liegt daran, dass wir die Herkunft des Fleischs transparent machen können. Eigene Zucht, keine Tiermehlverwendung sowie ein geschlossenes Hofsystem bei den Zulieferern können relativ gut garantieren, dass unser Rindfleisch BSE-frei ist.“ Nur wüssten die wenigsten Verbraucher, dass es eine preiswerte Alternative im Biobereich gibt; daher will Robert Erler gerade jetzt verstärkt Werbung für Bioprodukte machen. Mario Schulz vom Komma Biosupermarkt in Wilmersdorf bedauert, „dass sich die Situation wahrscheinlich wieder beruhigen wird, sobald das Medieninteresse nachlässt. Dabei muss etwas getan werden; Kontrollen allein sind nicht ausreichend, man muss verstärkt zu artgerechter Tierhaltung zurückkommen.“
In der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport prüft man gerade geeignete Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen (Hotline 90 28-28 28). Es ist aber noch nicht klar, wie man besorgte Bürger beruhigen kann. „Ich habe vor allem Angst um meine Familie“, erzählt Hausfrau Monika Schmidt vor einem Schnellimbiss in Mitte, „bei uns kommt kein Rindfleisch mehr auf den Tisch.“ Ihr zehnjähriger Sohn bestätigt das. „Ich darf bei McDonald’s keine Burger mehr kaufen. Rinder sind nichts für Kinder“, witzelt er. JÖRG STREICHERT
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