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Gentests auf Rezept

Kein Zugriff für Versicherungen: Gesundheitsministerin Fischer will genetische Tests nur zur Ermittlung von Krankheitsrisiken zulassen

BERLIN taz ■ Gentests auf erbliche Krankheitsrisiken sollen künftig verschreibungspflichtig sein. Das erklärte Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) gestern in Berlin. Sie müssten auf ein Minimum beschränkt werden. Die Ministerin kam damit einer Empfehlung ihres Ethik-Beirates nach.

„Die diagnostischen Möglichkeiten sind viel weiter als die therapeutischen“, sagte Fischer. Es könne Patienten schaden, früh von einer Krankheit zu wissen, die nicht heilbar sei. Die so genannten prädiktiven Gentests sollten nur mit einer „ausführlichen Beratung“ möglich sein.

Die Vorsitzende des Ethik-Beirates, Regine Kollek, wies zudem darauf hin, dass die wenigen bislang diagnostizierbaren Erkrankungen erst 30, 40 Jahre und länger nach der Geburt auftreten. Wer an eine Abtreibung denke, müsse wissen, dass es bis dahin vielleicht doch eine Therapie gebe. Grundsätzlich solle eine „solche Entscheidung nicht davon abhängen, welche Krankheit in einigen Jahrzehnten auftreten könnte“. Man müsse verhindern, dass die Gesellschaft einen „unerträglichen Druck auf die Mütter ausübt, ein gesundes Kind kriegen zu müssen“. Allerdings sollen Tests auf freiwilliger Basis erlaubt sein. Prädiktive Gentests können die Veranlagung zu Veitstanz, Diabetes und verschiedenen Krebsarten anzeigen.

Versicherungen, Krankenkassen und Arbeitgeber dagegen sollen nach den Vorstellungen der Ministerin Gentests weder selber durchführen lassen noch Auskunft darüber verlangen dürfen. Wie der Ethik-Beirat kann sie sich nur eine Ausnahme vorstellen: Beim Abschluss einer Lebensversicherung mit ungewöhnlich hoher Prämie müsse die Versicherung die Möglichkeit haben, den gleichen Wissensstand wie der Versicherte zu haben. Anders sei es, wenn Patienten versuchten, mit günstig ausgefallenen Testergebnissen ihre Krankenversicherungsbeiträge zu drücken. Das wäre so, als wenn „die Rosinen den Kuchen verlassen“, sagte die Ministerin. „Das würde die Balance unseres Sicherungssystems gefährden.“ Daher seien nun die Versicherungen gefordert, Vorschläge zu machen, wie sie das unterbinden könnten.

Mit ihrer Positionierung hat die Gesundheitsministerin nur dern ersten Schritt gemacht. Um ein entsprechendes Verbot solcher Tests bei Arbeitsverträgen oder Versicherungen umzusetzen, sind nun allerdings ihre Kabinettskollegen im Arbeits- und im Wirtschaftsministerium zuständig. Dort wurden die Vorschläge noch nicht beraten.

MATTHIAS URBACH

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