: Kalbsbrust kaum noch zu bekommen
■ Weil Schwein nicht in Frage kommt, essen viele Muslime weiter Rindfleisch
In der türkischen Schlachterei in der Bahrenfelder Straße in Ottensen ist von den Auswirkungen der BSE-Krise nichts zu sehen. Neben tiefroten Rindfleischbatzen liegt ein großes Tablett mit Rinderhack, daneben Leber und obendrauf eine bestimmt 30 Zentimeter lange Rinderzunge. Hier im Laden sei „alles ganz normal“, sagt die Verkäuferin. Rindfleisch geht wie eh und je. Irgendwas müsse man ja essen, meint ein Kunde vor dem Laden.
Für Fleisch essende Muslime und Juden ist die BSE-Seuche besonders misslich, weil sie aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch verzehren dürfen. Und ihre spezielle Form des Schlachtens, das in Deutschland grundsätzlich verbotene Schächten, schützt keineswegs vor BSE. Denn es geht dabei lediglich darum, das zunächst noch lebende Tier ausbluten zu lassen. Die Forderung, das Fleisch müsse koscher sein, beziehe sich bloß auf das Schächten, nicht auf die Aufzucht der Tiere, sagt Ale-xander Silberling von der Jüdischen Gemeinde Hamburg. Nur Pflanzen könnten auch koscher heranwachsen.
Der Inhaber der türkischen Metzgerei Tipi in der Großen Bergstraße in Altona setzt auf das Vertrauensverhältnis zu seinem Lieferanten. Der Vater fahre drei- bis viermal pro Woche zu dem Bauern bei Bad Oldesloe, von dem sie das Fleisch beziehen, berichtet Halis Tipi. „Wir essen das auch selber“, versichert die junge Frau. Trotzdem haben Lamm und Geflügel in der Theke optisch das Rind längst verdrängt. Dessen Absatz sei um die Hälfte zurückgegangen, schätzt Tipi.
Mehmet Yalcin, der eine Döner-Produktion im Schanzenviertel betreibt, hat bereits Schwierigkeiten, Kalbsbrust einzukaufen. Der Preis sei im Zuge des BSE-Skandals um 50 Prozent gestiegen. Aufgrund des Zusammenbruchs der Nachfrage würden kaum mehr Kälber geschlachtet. Und wegen der Kalbsbrust alleine, die Yalcin neben Lammfleisch für seine Döner braucht, lohne es sich nicht, ganze Kälber zu schlachten. Lamm alleine schmecke aber zu streng. Das Fleisch beziehe er aus Deutschland und Holland. Gernot Knödler
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