: How low can you go?
Richard Desmond hat das britische Traditionsblatt „Daily Express“ und dessen Schwestertitel gekauft. Leider passt die nicht ganz in sein sonstiges Medienangebot: Dort regieren Softporno-Blättchen
von STEFFEN GRIMBERG
Das Hauptproblem von Richard C. Desmond ist nicht sein Ego, schließlich fahren viele britische Medienunternehmer Autos mit personalisiertem Nummernschild. Auch dass der Mann, der seit einer Woche an der Londoner Blackfrias Bridge dem Bentley mit dem amtlichen Kennzeichen RCD 1 entsteigt, gleich am ersten Tag die non smoking policy seines Vorgängers über den Haufen warf und lautstark nach einem Aschenbecher verlangte, mochte die Redaktion des Daily Express noch hinnehmen. Schließlich hatte Desmond am vergangenen Mittwoch ganz überraschend den Zuschlag für die Express Group Newspapers erhalten, zu der neben dem überregionalen täglichen Morgentitel noch das Schwesterblatt Sunday Express und die Boulevardzeitung Daily Star gehören.
Desmonds Problem ist vielmehr, dass er vom umkämpften Markt der überregionalen britischen Tageszeitungen keine Ahnung hat – und das auch offen zugibt. Macht ihn das vielleicht noch sympathisch, verliert sich dieser Eindruck schnell, wenn man sich Desmonds weiteres Zeitschriftenportfolio anschaut: Neben dem wie eine aggressive Bunte daherkommenden Celebrity-Magazin OK verlegt Desmonds Verlagsholding Northern & Shell nämlich nur Softpornos: Mit Nude Readers’ Wifes über Big Ones International bis zum Red-hot Pack bedient der neue Zeitungsbaron bisher nicht die Top-Executives, sondern ausschließlich das top shelve der britischen Zeitungsläden.
Das mag vielleicht noch zum Daily Star passen, obwohl das kleinste überregionale Massenblatt des Vereinigten Königreichs vom Vorbesitzer United News & Media gerade mühsam aus der Schmuddelecke herausbugsiert worden war und so die sinkende Auflage wieder stabiliesieren konnte. Bei den Express-Titeln führt die als feindlich empfundene Übernahme zum Exodus: Bis Dienstag hatten schon Politikchef Anthony Bevins, Wissenschaftsredakteur Michael Hanlon und die Kolumnistin Mary Kenny gekündigt.
Die britischen Medien werten den Verkauf an Desmond als Betriebsunfall des geldgierigen Vorbesitzers Lord Clive Hollick. Doch scheint dem Adligen von Labours Gnaden neben den 125 Millionen Pfund, die der people’s pornographer (Observer) für die Express Group hinblätterte, auch gefallen zu haben, dem britischen Presse-Establishment schmerzhaft vors Schienbein zu treten. Hollick, so der einmütige Tenor, habe sich um die stark an Auflage verlierenden, defizitären Express-Titel nur sehr halbherzig gekümmert und sei trotz des noblen Titels kein würdiger Nachfolger des legendären Zeitungsgründers Lord Beaverbrook gewesen. So weit, so richtig. Dass sich nun ausgerechnet Richard Desmond als Beaverbrook-Erbe inszeniert, düfte ihnen allerdings noch weniger schmecken, zumal auch andere Zeitungshäuser wie Hollinger (Daily Telegraph), DMGT (Daily Mail) oder die Barclay Brothers (The Scotsman) für den Express mitgeboten hatten – nur eben zu wenig.
Der zweifelhafte Ehrentitel dirty digger, bisher unangefochten im Besitz von Rupert Murdoch für seine Massenblätter Sun und News of the World, ist Desmond hingegen sicher. Seine Aussagen zur neuen Richtung des Blattes beschränkten sich bisher darauf, 80 Mitarbeiter von OK Richtung Express in Marsch zu setzen, die unter anderem für noch mehr Celebrity-News und Exklusivfotos sorgen sollen.
Wie lange ihm bei einer solchen Neuausrichtung Express-Chefredakteurin Rosie Boycott erhalten bleibt, ist strittig. Sie hatte dem Blatt im Konkurrenzkampf gegen den konservativen Hauptkonkurrenten Daily Mail gerade erfolgreich einen Schwenk Richtung Labour verordnet. Und war Mitgründerin des feministischen Magazins Spare Rib.
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