: BSE: Regierung verbietet Tiermehl ab Samstag
Kurzarbeit in manchen Schlachthöfen. Länder, Kommunen und Bauern sollen für Entsorgung zahlen. BSE-Verdacht in Schleswig-Holstein schon 1993
BERLIN taz/dpa/ddp/afp ■ Im Kampf gegen die Rinderseuche BSE wird das Verfüttern von Tiermehl in Deutschland voraussichtlich von diesem Samstag an per Gesetz komplett verboten. SPD und Grüne brachten am Dienstag in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Tiermehl, an Rinder verfüttert, gilt als einer der Gründe für die Rinderwahn-Seuche. Als Folge des Verbots müssen Kunden mit höheren Fleischpreisen rechnen, weil das anfallende Tiermehl anderweitig entsorgt werden muss. Dies könnte im Extremfall zu Kosten von 1,77 Milliarden Mark führen.
Nach Informationen der Bild-Zeitung sollen Länder, Kommunen und Bauern zu gleichen Teilen zahlen. Dem Bund entstünden „nach geltender Rechtslage“ keine Kosten, wird der Gesetzentwurf aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium zitiert. Wer gegen das kommende Verbot der Tiermehl-Verfütterung verstößt, begeht dem Bericht zufolge künftig eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50.000 Mark geahndet werden kann.
Die Hamburger Nordfleisch AG, einer der größten Fleischproduzenten Deutschlands, hat in ihren Schlachthöfen wegen der jüngsten BSE-Fälle Kurzarbeit angemeldet, nachdem die Rinderschlachtung – alleine in Bad Bramstedt nördlich von Hamburg mit 140.000 Tieren jährlich – seit Montag gänzlich ruht. Unterdessen kamen in Kiel und Hamburg in Großküchen kaum noch Rindfleischgerichte auf den Tisch. Die Fastfood-Ketten „McDonald’s“ und „Burger King“ rechnen hingegen nicht mit negativen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit, teilten gestern Firmensprecher mit. Derzeit gebe es darum auch keinen Bedarf, die Kunden speziell auf die Sicherheit der Rindfleisch-Produkte hinzuweisen, meinte McDonald’s treuherzig. Der erste Fall eines in Deutschland geborenen Rindes mit BSE war am Freitag im Schlachthof Itzehoe festgestellt worden. Die Kuh stammte aus einem bäuerlichen Betrieb in Schleswig-Holstein. Beim zweiten deutschen BSE-Tier, das 1998 aus Sachsen-Anhalt auf die portugiesischen Azoren exportiert wurde, fehlt immer noch das Ergebnis des Gentests: Es wurde umetikettiert, seine Herkunft ist daher nicht 100-prozentig sicher.
Hinweise auf BSE-kranke Rinder in Schleswig-Holstein hat es schon im Jahr 1993 gegeben. Damals hatten die Tierärztinnen Margit Herbst und Kari Köster-Lösche im Schlachthof von Bad Bramstedt 21 Rinder als BSE-verdächtig beanstandet. Ein Labor in Hannover bestätigte damals bei zwei Tieren Gehirnschädigungen, einen BSE-Nachweis gab es jedoch damals nicht. Als Herbst öffentlich eine gründliche Untersuchung forderte, wurde sie vom Kreis Segeberg entlassen. Gegen die fristlose Kündigung hatte Herbst 1995 erfolglos geklagt: Das Gericht schloss sich der Argumentation des Kreises an, die Ärztin habe das Vertrauensverhältnis zerstört, weil sie den „Dienstweg“ nicht eingehalten habe. Die heute 60-Jährige ist inzwischen frühpensioniert. Nach ihrer Entlassung habe sie keine Anstellung als Tierärztin mehr gefunden. REM
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