: Und ewig lockt die Puderdose
Die Antwort auf die Frage nach der Schönsten im ganzen Land geben seit 1888 Aufmärsche leicht bekleideter lediger junger Frauen bei Misswahlen
von KARSTEN NEUSCHWENDER
Etwas steht felsenfest: Wer „Miss World“, „Miss Universe“ oder „Miss Germany“ werden will, braucht stahlharte Nerven und wird harten Prüfungen unterzogen. Bei der Miss-Germany-Wahl 1999 mussten die Kandidatinnen mit Gotthilf Fischer singen – um dann als „schönster Chor der Welt“ in der Fernsehsendung „Straße der Lieder“ aufzutreten. Ein hoher Preis – selbst für Geld, Autos, Luxusreisen, Designerklamotten und Handy.
Heute wird Natascha Berg Deutschland bei den 50. Miss-World-Wahlen in London vertreten. Die Voraussetzungen für eine Miss-Wahl-Teilnahme sind einfach und chauvinistisch: Alter zwischen 16 und 25, keine Nacktfotos (auch nicht Oben-ohne-Aufnahmen), kein Ehemann, keine Kinder. Die Kandidatinnen werden in Badekleidung und Abendgarderobe begutachtet. Dementsprechend war das Wichtigste, was über Natascha Berg berichtet wurde: Sie ist 20 Jahre alt, 1,75 m groß und hat die Maße 90-62-94. „Stoppt den sexistischen Viehmarkt“, fordern regelmäßig Fraueninitiativen vor den Wettbewerben.
Die Fleischbeschau hat Tradition. Im Vordergrund standen immer wirtschaftliche und andere männliche Interessen. 1888 gab es im belgischen Kurbad Spa die erste Schönheitswahl der Neuzeit. Den Wettbewerb hatten sich die Stadtväter des damals darbenden Bades ausgedacht, um Gäste anzulocken. Als Schönste wurde die 18-jährige Kreolin Betha Soucaret von der Karibikinsel Guadeloupe ermittelt. Soucaret hatte sich wie ihre Konkurrentinnen der Jury im Badeanzug gezeigt – was damals als ziemlich freizügig galt.
1951 veranstaltete der Londoner Unternehmer Eric Morley die erste „Miss-World-Wahl“ als Attraktion für seine Mecca-Veranstaltungshäuser. Geplant war nicht, die Show jährlich durchzuführen. Nachdem in den USA aber schon ein Jahr später der konkurrierende „Miss-Universum-Wettbewerb“ entstand, wurde der „Miss World“-Titel jährlich vergeben. Zum ersten Mal in seiner Geschichte findet der „Miss-World-Wettbewerb“ dieses Jahr ohne seinen Gründer Eric Morley statt. Er verstarb vor wenigen Wochen.
Die Karriere der „Beauty-Queens“ ist im Normalfall relativ kurz. Ihr erstes und meist einziges Berufsjahr verbringen sie mit Modenschauen, Galaabenden und Werbeauftritten. Nur wenige schaffen es, aus der Wahl zur Schönsten langfristig Kapital zu schlagen. Außer schön zu sein, müssen sie dazu noch etwas anderes können – besonders gut oder besonders schlecht. Die Miss Germany von 1993, Verona Feldbusch, kann nicht richtig sprechen. Und ist deshalb mittlerweile ein gefeierter Fernsehstar. Petra Schürmann wurde 1956 die erste deutsche Miss World. Sie kann richtig sprechen. Und machte auch eine Fernsehkarriere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen